HELENA WALATEKZUM FROBLEM DER QUELLEN DES ARCHITEKTURTYPS HRIPSIME-DSHVARIEine der originellesten Schöpfungen früchristlicher Ar-chitektur sind die Kirchen des Hripsime-Dshvari-Typs. Siebilden ein kompliziertes raumliches System.Die Frege des Ursprungs dieses Architekturtyps gohdrtzu den wichtigen Problemen der Geachichte mittelalterlicherKunst. Da beinahe keine Denkmaler der spaten Antike und dosf£rihen Eittelalters erhaltengeblieben sind, wurden zur ver-gloichenden Analyse hauptsachlich Grundrisse verwendet.Die Analyse der Grundrisskomposition von Kirchen desHripsise-Dshwari~Typs ermoglicht es, folgende Bestandteile zunennen: ein zentrales Quadrat, eine Tetrakonche und eine inein Viereck mit vier Eckrdumen eingeschriebene Tetrakonche.Ua den Ursprung dieses Architekturtyps vom Standpuniktder Entwicklung der fruhchristlichen Architektur zu bestimmen,ist es notwendig, die Entwicklung einer jeden der oben auf-gozahlten Formen im Rahmen der uns zugänglichen Materialienzu verfolgen. Leider ist die Kunst der Lander des christlichenOriente noch nıcht gemugend erforscht worden, vor allem vomStandpunkt der Beurkundung und der Datierung der Denkmiler.Schon seit dem vierten Jahrhundert tauchen im Osten desRomischen Reiches mit dem christlichen Kult verbundenes, imGrundriss gquadrate Bauten, die oft von eimer Kuppel bedecktsind,Zu den alliesten dieser Bauten gehort eine Taufkapelle,die sich in der Nahe der sudlichen Rotundemauer des HeiligenGrabs zu Golgotha in Jerusalem befindet, Sie wurde aller Wahr-scheinlichkeit nach noch vom Kaiser Konstantin dem Grossenerrichtet (1). Der Taufkapelle auf Golgotha ist die mordmeso-potamische Kirche des heiligen Jakob in Nissibis 'a'hnlich, diedié Funktion eines Martyrions mit der eimer Taufkapelle ver-eint. Der dlteste Teil des im Grundriss viereckigen Baus wurde= 26=
Wahrscheinlich 359)2)errichtet. Aufdem TerritoriumSyrienssind zweiim Grundriss quadrateTaufkapellenerhaltengeblieben,diegenau datiertsind:in Fidre im Jahr 513und inKhirteb-el-Khartib in den Jahren 532bis 533(3).Einfast gleichesGe-bäude dos6.Jhs.ist in der OrtschaftKeposaufder InsolMe-los (4)bekannt.InArmenienwurdenin derOrtschaft Wochds—haberd auch Ruineneines im Grundriss quadraten Bausgefunden,dasN.,M.Tokarski ins5. Jh.datiert(5).Ausser den Taufkapellen ist noch eine Gruppe im Grundrissquadrater Mertyrion bekannt. Eines der fruhesten Beispielesolcher Bauwerke ist das Martyrion des heiligen Babilas inAntlochien-Eaouisse aus der zwoiten Halfte des 4. Jhs.(6). So- sah auch wahrscheinlich ursprunglich das Martyrion des helli-gen Johannes in Ephesos aus.Die im Grundriss quadraten aufgezahlten Beuwerke stelltenzwei verschiodene Abarten dar: die einen sind ungefähr würfol-!Smig‚ die anderen haben die Form eines Ziboriums. Das wirddurch die ikonographischen Quellen jener Zeit bestätigt. EinBeispiel ist ein quadrater mit einer kleinen Kuppel bedeckterBau, der auf einem Mosaik in der Kirche des heiligen Johannesdes Täufers in Geras, in Syrien, dargestellt ist (8). Ein ande-res Beispiel ist eine Platte aus Elfenbein (in der Sammlungdes Britischen Museums) auf der das Heilige Grab in der Formeines luppelbedeckten Ziboriums auf vier Säulen dargestelltist (9). Den aufgezahlten Denkmalern ist auch eine Darstellungeines Baus auf dem Obelisk neben Odzun in Armenien ahnlich(10).Die Tetrakonche ist in der antiken Architeltbur haupt-sdichlich nach Mausoleen bekannt. In der Spatentike und der Pe-riode des fruhen Mittelalters wird sie zu einem Kompositions-element in solch kompliziertenm Grundrissen wie die Kirche vonSankt Lorenzo in Mailand (370) (11), das Martyrion Seleucla-Peria des 5. Jhs. (12) oder die Kirche in Bosra (um 512) (13).In den genannten Gebauden ist die Tetrakonche der Kern derKomposition, doch tritt sie nicht als blinde Mauer auf, sondernwird zu einer Kolonmade. ks gibt nur hichst selten Bauten, dieausschliesslich als Tetrakonche gebaut sind. Unter den von-27-
A.Chatschatrian rund dreihundert herausgegebenen Abbildungenfrühchristlicher Taufkapellen sind nur zwöi als Tetrakonchegebaut: in der Makedonischen Ortschaft Stobi (14) und in Tig-sirt in Nordafrika (15). Beide Bauwerke, die ins 5. bis S.Jh.datiert werden, waren nicht alleinstehende Bauten,sondern siegrenzten teilweise an die Mauern der Kirchen.Die ersste Anzahl von Tetrakonche-Bauten befindet sichauf dem Territorium Transkaukasiens, wo an die zehn Denkmaler,die sich auf die Periode des frihen Christentums beziehen,bekannt sind (16). Die bis nun hier aufgefundenen Tetrakonchesind durch Mannigfaltigkeit gekennzeichnet und zeugen von derPopularitat dieses Typs in dieser Gegend. Das beeinflussteiie schnelle Entwicklung der Kirchen mit zentraler Kuppel. Dieurspringliche Punktion der Tetrakonchen in Transkaukasien wur-de noch nicht in allen Fallen festgestellt, doch nach schrift-lichen Quellen zu urteilen, waren das, wie anzunehmen,Martyrions und wahrscheinlich Taufkepellen (17).Ein besonderes Beispiel der Entwicklung dieses Typs istoin Bauwerk in Finozminda in Ostgeargien (Kachetien): G.Tschu-binaschwili bezieht es auf das dritte Viertel des 6. Jhs.(18).Die urspriingliche Funktion dieses Baus ist unbekannt. DerAnordnung der inneren Raume nach ist er dem vom Kaiser Senonim Jahre 484 gebauten Martyrion auf dem Berg Gatisim in Sa-warien am ahnlichsten.Um das Jahr 500 tauchten in der christlichen Welt Bauwer-ke nach dem Grundriss eines in ein Quadrat oder in ein Viereckeingeschriebenen Kreuzes auf. Uber der Kreuzmitte erhob sichdie Euppel. Alle diese Bauwerke haben wie auch manche Tauf-kapellen an der Ostmauer eine Apside, die zuweilen nach aussenhervortritt. Haufig wurde die Kreuzform dadurch betont, -dassdie Kreuzerme sich über die Eckraume erhoben, Es ist anzunehmen,dass diese Bauten als Martyrions und in manchen Fallen alsTaufkapellen dienten.Zu den gut erhaltenen Denkmalern mit dem Grundriss einesin ein Quadrat eingeschriebenen Kreuzes gehdrt die KircheHosios Dawid in Salomiki, (in Griechenland bekannt auch alsg=
Christus Latom), gebaut zwischen 450 oder 453 und 500. Ursprung-lich war das wahrscheinlich ein Martyrion des Prophten Zacha-rias, dessen Kult mit dem Einfluss sus Palastina verbundenist (20). Dem griechischen Bau ist ein anderer dhnlich, dersich in Aladja-Kisle in Lykien (gegenwartig Tiirkei) befin-det (21). Süd-östlich von einer Basilika des 6. Jhs. gelogen,dieser Bau entweder ein Martyrion oder eine Taufkapelle.Auf dem Territorium Pranskaukasiens, in Dadaschen, inBoschetion (gegenwartig Turkei) gibt es einen undatierten BauVvoa diesem Typ. Er ist nur nach einem schematischen Grundrissbekannt(22). Das ist ein in ein Quadrat mit rechteckigen Rau-men eingeschriebenes Kreuz mit einer grossen halbrunden Apside,die nach aussen hervortritt.Die monumentalste Verwirklichung dieses Typs kultischerBauten ist die Martyrion-Kirche der Propheten—ipostcl—llirtytex-in Geras in Syrien datiert 465 (23). Die Eckraume dieses Ge-bäudes sind ungleich lang: die ostlichen sind Quadrate, diewestlichen Rechtecke. Die Ost-West Achse ist noch mehr durcheine halbrunde Apside verlangert. Im Innern wird ihr kreuzfor-mige Grundriss durch zwei Saulenreinen betont.Zugleich mit dem in ein Quadrat eingeschriebenem Kreus18t auch eine Variante dieses Typs bekannt, und zwar eine Tetra-konche, die in ein Quadrat mit vier Eckraumen eingeschriebenist. Ein Beispiel tur solch einen Bau ist das vor kuzem in Za-rizin Grad in Serbien entdeckte Fundamentu eines Baus, der insJahr 500 ungefahr datiert ist (24). Ebenso wie der oben er-vahnte Beu in Aladja-Kisle in Iykien gehdrt der Bau in ZarizinGrad zu einem grossen Architekturkomplex und wer auch in derNähe der sudlichen Mauer einer Basilika gelegen. Auch dieserBau diente als Martyrion oder als Taufkapelle.Dom Bau in Zarizin Grad ist eine in Tebess in Nordafrikabefindliche Trikonche, datiert in die zweite Halfte des 5.Jhs.mit einer Treppe anstelle der nordlichen Konche dhnlich, Die-ser Bau unterschied sich durch rechteckige ndrdliche Eckraume.Das war auch ein Teil eines Architekturensembles und dienteals Martyrion.=129~
Auf Grund der angeführten Beispiele kann das Aussertkomplizierte Problem des Ursprungs von Kirchen des Hripsime-Dahwari-Typs mit der Architektur der frühchristlichen Marty-rions und Taufkapellen in Verbindung gesetzt werden.Die Tatsache, dass die Taufkapelle der hl. Sophia in Kon-stantinopel als Vorbild für die Kirche in der Ortschaft Amidaauf der Insel Rhodos diente zeugt davon, dass Taufkapellen-grundrisse für den Bau von Kirchen verwendet wurden (26). Esist bemerkenswert, dass nach einem Grundriss einer Tetrakon-che mi vier Säulen in der Mitte nicht zur die Kathedrale inEtschmiatzin, sondern auch die Taufkapelle des 5. Jhs, in Sidein Pamphilia (gegenwartig Tirkei) gebaut vurde.Ee muss zu Schluss noch bemerkt werden, dass die nachsteUntersuchungsetappe des Ursprungs von Kirchen des Hripsime-Dehweri-Typs nicht nur vom Standpunkt der Architektur und desBaus ausgehen muss, sondern vor allem von den Beziehungen derArchitektur zu den Ideen der Philosophie des Christentums, diein der Kunst das gegenseitige Verhältnis von Weltall, Gott unddem Menschen wiederspiegelte. Eine genaue Definierung des ideo-logischen Programms der Kirchen vom Hripsime-Dshwari-Typus er—fordert spezielle Untersuchungen, vor allem das Erforschenschriftlicher Quellen des frihen Mittelalters.ANMERKUNGEN1) A.Grabar, Martyrium, t, 1, Paris, 1946, p. 96.AcEhatchatrien, Les bptistéres paléochrétiens, Paris,1962, Do 65.2) A.Ehatchawrian, ope cite., p. 114.3) A.Ehatchatrien, op. cit., p. 88, 81.4) G.Millet 1'école grecque dans l'architecture byzantine,Paris, 1916, Do 107.5) H,.M,Tokarski, Dshrwedsh, II, Wochdshaberd, Jerewan, 1946,8@, 49-66.6) A.Grabar, op. cite, po 77.7) R.Krautheimer, Early Christien and Byzantine Architecturs,Harmondsworth, 1965, p. 80.% B0i=
8) A.Grabar, ope Cit., pe 584,9) A.Grabar,op. cit., ple XV.10) G.ChoUnazakanien. Ein unbekannter Bautypus der altarme-nigohen Architelctur, "Lraber", Jerewan, 1952, Ne. 7 (inarm. Sprache).11) R.Kreutheimer, 0ps cit., po 56.12) A.Grabar, ops cit., £ig. 20.13) A.W.Kusnezow. Tektonik und Konstrukbtion konzentrischerGebaude, Moskau, 1951, S 76.14) A.Khatchatrian, ope cite, pe 131.15) A.Kbatchatrian, op. cite, pe 135.16) W.G.Grigorjan, Frihchristliche, armenische TetrakoncheDenkmiler "Lraber", Jerewan, 1976, Nr. 1 (in arm.Sprache).M.Dwali, Manglissi, Tbilissi, 1947; L.2ilaschwili, Dsweli-Gabasi, Tbilissi, 1975.17) Armenisches Buch der Kanons, B.1 (Herzusgegeben von W.Hako-pian), Jerewan, 1964, Ss. 369, 392, 512 (in arm.Sprache).18) Tschubinaschwili, Architektur Kachetiens,Tbilissi, 1959,S, 232-244.19) R.Krautheimer, op. cit. Fig. 36.20) W.Polewoi, Die Kunst Griechenlands, Moskau,1973, S.43.21) J.Strzygowski, Kleinasien, ein Neuland der Kunstgeschichte,Leipzig, 1905, S. 139.22) M.Kataiszwilli, Album d'architecture géorgienne, Tiflis,1924,23) J.Lassus, Sanctuaires chrétiens de Syrie,Paris,1947, p.147.24) R.Hoddinot, Barly Byzantine Churches in Macedonis andSouthern Serbia, london, 1963, p. 160.25) S.Gsell, Les monuments antiques de 1'Algérie, t. II. Paris,1901, p. 267.26) Actes du V-e Congrés International d'archéologie chrétienne,Paris, 1957, pe 115027) A.Ebatchatrian, op. cit., pe 129, fig. 120.e 30 2