Strafen nach Palästina-DemoDas droht den festgenommenen Demonstranten
Rund 500 Teilnehmende der eskalierten Demo wurden von der Polizei erfasst. Strafrechtsexpertin Sarah Schläppi über die Herausforderungen der Strafverfolgung.
- Die Staatsanwaltschaft prüft bei 536 kontrollierten Personen den Tatbestand des Landfriedensbruchs.
- Für eine Verurteilung muss eine klare Friedensbedrohung durch die Menschenmenge nachweisbar sein.
- Bei Sachbeschädigungen müssen die Taten einzelnen Personen konkret zugeordnet werden können.
Bei der Palästina-Demo vom vergangenen Samstag ist es der Polizei gelungen, Gewalttäter im Schwarzen Block einzukesseln und 536 Personen abzuführen. Was droht ihnen? Die Berner Strafrechtsexpertin Sarah Schläppi sagt, dass sich viele des Landfriedensbruchs strafbar gemacht haben dürften. Und dies im Kollektiv.
Gemäss Strafgesetzbuch trifft dies auf alle zu, die an einer öffentlichen Zusammenrottung teilnehmen, bei der mit vereinten Kräften gegen Menschen oder Sachen Gewalttätigkeiten begangen werden. Straffrei bleibt nur, wer sich auf behördliche Aufforderung hin entfernt – und zuvor weder Gewalt angewendet noch dazu aufgefordert hat.
Die Polizei rief nach der Gewalteskalation beim Bundesplatz dazu auf, die Kundgebung zu verlassen. Die Missachtung dürfte eine Verurteilung wegen Landfriedensbruchs möglich machen, sagt Schläppi.
Beim Landfriedensbruch gilt somit das Prinzip «mitgegangen, mitgehangen». Ob man selbst Gewalt ausübt, ist nicht entscheidend. Die reine Teilnahme an einer solchen Gruppe kann bereits strafbar sein.
Einschränkung beim Landfriedensbruch: Die «Friedensbedrohung»
Allerdings gibt es eine wichtige Einschränkung: Für Landfriedensbruch muss von der Ansammlung eine «Friedensbedrohung ausgehen». Das war entscheidend für den Freispruch von 50 Teilnehmenden an einer Demo von 2018.
Damals war es nur vereinzelt zu Sprayereien gekommen, dennoch hatte die Polizei die Demonstrierenden in der Spitalgasse eingekesselt. Die Strafbefehle wurden danach vom Obergericht aufgehoben. Denn es sprach dieser Kundgebung eine «friedensbedrohliche Grundstimmung» ab. Bei der Palästina-Demo vom Samstag dürfte eine Friedensbedrohung schwer von der Hand zu weisen sein, sagt Strafrechtsexpertin Sarah Schläppi.
Verschärfungen des Strafgesetzes für unbewilligte und gewalttätige Demos, wie sie etwa der Berner Regierungsrat und Polizeidirektor Philippe Müller fordert, sieht Schläppi skeptisch. Das Strafgesetz sei ein bewährtes Gesamtkonzept. Statt Strafen zu verschärfen, solle primär der bereits mögliche Strafrahmen ausgeschöpft werden. Landfriedensbruch etwa könne mit bis zu drei Jahren Gefängnis bestraft werden.
Sarah Schläppi sieht Handlungsbedarf bei Sachschäden
Die nach der Einkesselung kontrollierten Personen müssen teilweise auch mit einer Anzeige für andere Taten rechnen: Sachbeschädigung, Hausfriedensbruch, Körperverletzung, Brandstiftung, Widerhandlung gegen das Sprengstoffgesetz, Hinderung einer Amtshandlung, Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte, Diebstahl sowie Widerhandlung gegen das Vermummungsverbot.
Beim Brand am Restaurant Della Casa müsste auf versuchte Tötung geprüft werden. Allerdings müssen solche Straftaten jedem Einzelnen nachgewiesen werden. Das ist bei Vermummten schwer. Die Polizei hat Kameras eingesetzt.
Schwierigkeiten sieht Schläppi bei den Sachschäden. Bei einer Verurteilung nur wegen Landfriedensbruchs sei es heute aufgrund der Rechtslage nicht möglich, Täter für den entstandenen Sachschaden haftbar zu machen. Es müsse ein weiteres Delikt nach Strafgesetzbuch vorliegen, so zum Beispiel eine Sachbeschädigung. So sei zu beweisen, welche Person zum Beispiel einen Stuhl in ein Geschäft geworfen habe.
Landfriedensbruch schütze somit zwar die öffentliche Ordnung, aber nicht das Eigentum des Einzelnen, so Schläppi. Bei den Kosten für die Polizeieinsätze sieht es anders aus. Diese können gemäss Polizeigesetz des Kantons Bern auf die Täter überwälzt werden.
Sarah Schläppi ruft zu Beteiligung als Privatkläger auf
Sarah Schläppi empfiehlt allen Berner Geschädigten, sich als Privatkläger an den Strafverfahren zu beteiligten und einen Strafantrag zu stellen – nötigenfalls gegen unbekannt. Nur so sei sichergestellt, dass wirklich ermittelt werden müsse.
Beschleunigte Verfahren hält Schläppi aber für unwahrscheinlich. Angesichts der Überlastung der Staatsanwaltschaft und der im Vergleich zu anderen Straftaten wie Vergewaltigung oder Raub geringeren Schwere der Delikte würden diese nicht priorisiert. Womöglich sieht es bei der Brandstiftung mit in Kauf genommener Tötung anders aus.
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