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Bundespolizeichef im Interview


Wie wollen Sie die Messergewalt im Hauptbahnhof Hannover in den Griff kriegen, Herr Schuol?

„Kontrollieren, bis der Trend gebrochen ist“: Michael Schuol, Präsident der Bundespolizeidirektion Hannover.
„Kontrollieren, bis der Trend gebrochen ist“: Michael Schuol, Präsident der Bundespolizeidirektion Hannover.

Hannover. Herr Schuol, in der Innenstadt und dem Hauptbahnhof ist es in den vergangenen Wochen zu mehreren schweren Messerattacken gekommen. Wie ist es um die Sicherheit bestellt?

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Wir haben schon eine Menge getan, betrachten die aktuellen Entwicklungen aber durchaus mit Sorge. Die Gewaltdelikte im Hauptbahnhof sind um über 20 Prozent zurückgegangen. Das ist positiv. Was uns Sorge macht, sind die Art und Intensität. Das gilt auch für die Feststellung von mehr als 100 Messern und 130 gefährlichen Gegenständen seit Jahresbeginn. Das ist eine hohe Zahl. Deswegen haben wir personell viel in unsere Einsatzmaßnahmen investiert.

Messer, Schlagringe, Äxte: Immer wieder stellt die Bundespolizei Waffen im Hauptbahnhof Hannover sicher.
Messer, Schlagringe, Äxte: Immer wieder stellt die Bundespolizei Waffen im Hauptbahnhof Hannover sicher.

Braucht es noch mehr Kontrollen?

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Wir wollen unsere Sicherheitskooperation mit der Polizeidirektion, der Stadt Hannover und der Deutschen Bahn intensivieren. Wir bewegen uns da in die richtige Richtung. Man muss aber auch feststellen, dass die besagten Angriffe meist untereinander in einer Problemklientel stattgefunden haben. Die werden wir schlecht gänzlich verhindern können. Wir sagen aber auch: Messer gehören nicht in den Hauptbahnhof. Deswegen werden wir immer wieder Kontrollen durchführen, bis wir diesen Trend gebrochen haben.

Kontrollen, Triostreifen, mehr als 100 Kameras, Waffenverbot, Allgemeinverfügung – der Werkzeugkasten ist schon ziemlich groß. Was muss noch getan werden, um weniger Straftaten im Hauptbahnhof zu haben?

Wir werden die sogenannten Super-Recogniser verstärkt zum Einsatz bringen. Das sind speziell ausgebildete Beamtinnen und Beamte, die eine besondere Begabung haben, Straftäter wiederzuerkennen. Zum Beispiel über die Videokameras oder Fahndungsfotos. Die Super-Recogniser werden wir aus Hannover, Bremen und Hamburg für konkrete Einsatzanlässe immer mal wieder zusammenziehen. So haben wir in letzter Zeit mehrere Festnahmen und Verhaftungen umgesetzt. Außerdem wollen wir neben Hausverboten für den Hauptbahnhof auch mehr Beförderungsausschlüsse in Zügen erreichen. Wir wollen gemeinsam mit der Deutschen Bahn und anderen Eisenbahnverkehrsunternehmen Straftäter aus Bahnen ausschließen. Zum Beispiel solche, die Frauen belästigen. Straftäter sollen sich weder im Bahnhof noch drumherum sicher fühlen.

Was sagen Sie Menschen, die sich zu bestimmten Zeiten nicht allein durch den Bahnhof trauen?

Wenn man die Anzahl der Straftaten im Hauptbahnhof ins Verhältnis zur Anzahl der Reisenden setzt, ist die Kriminalitätswahrscheinlichkeit deutlich niedriger als an anderen Örtlichkeiten. Insofern gehen die gefühlte Sicherheitslage und die Realität auseinander. Aber wir müssen noch stärker wahrgenommen werden, und wir wollen die Kriminalität noch weiter zurückdrängen.

Zur Person

Michael Schoul (57) ist seit 2022 Präsident der Bundespolizeidirektion Hannover. Er ist verheiratet und hat zwei Kinder. Geboren in Schleswig-Holstein, war er jahrelang für die Bundespolizei im Rheinland tätig. Die Bundespolizeidirektion Hannover umfasst längst nicht nur die Landeshauptstadt. Auch die Hauptbahnhöfe und Flughäfen Bremen und Hamburg gehören unter anderem dazu, wie auch die niedersächsische Grenze zu den Niederlanden. Schuol ist somit Chef von rund 3000 Mitarbeitenden im knapp 49.000 Quadratkilometer großen Zuständigkeitsbereich.

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Wie soll das gelingen?

Wir müssen der Messerproblematik konsequent entgegenwirken. Wir sind gerade in Gesprächen mit Staatsanwaltschaften, dem Innenministerium und Ausländerbehörden, um bei reisenden Straftätern noch konsequenter vorgehen zu können.

Jede dritte Straftat bei den Gewaltdelikten wird in unserem Aufgabenbereich in Hannover unter Alkoholeinfluss begangen.

Michael Schuol,

Präsident der Bundespolizeidirektion Hannover

Sie sagen, ausländische Straftäter sollen schneller abgeschoben werden.

Wir werden in unserem Aufgabenbereich alles unternehmen, um bei kriminellen Personen und Ordnungsstörern, die ständig Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten begehen, die aufenthaltsbeendenden Maßnahmen zu forcieren.

Haben Sie eine Erklärung, warum einige Menschen eine immer kürzere Lunte haben und sich offenbar nichts mehr sagen lassen?

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Aus meiner Sicht hat das zunächst mit gesellschaftlichen Entwicklungen zu tun. Daneben hat es aber vielleicht auch mit Mentalitäten zu tun, egal ob es nationale oder internationale sind. Der Gesamttrend macht schon in gewisser Weise Sorge. Der Respekt gegenüber Einsatzkräften der Polizei und Rettungskräften war früher ein anderer. In diesem Zusammenhang spielen heutzutage Alkohol und Drogen eine große Rolle. Jede dritte Straftat bei den Gewaltdelikten wird in unserem Aufgabenbereich in Hannover unter Alkoholeinfluss begangen.

Wer Straftaten begeht, sollte eigentlich gar nicht zum Stadion kommen.

Michael Schuol über gewalttätige Fußballfans

Seit fast einem Jahr kontrolliert die Bundespolizei an der Grenze zu den Niederlanden. Wie fällt Ihre Bilanz bislang aus?

Wir haben dort täglich über 100 Beamte im Einsatz. Das ist eine Menge. Aber es ist schon überraschend, wie groß die Filterfunktion ist. Wir haben seit dem 15. September 2024 gerade die 1075. Zurückweisung vollzogen, haben über 1670 unerlaubte Einreisen verhindert und 400 Haftbefehle vollstreckt. Das ist mehr, als ich zu Beginn vermutet hätte. Nicht eingeschlossen ist die Zahl von Straftätern, die wir abgeschreckt haben. Natürlich gibt es bei 180 Kilometern Landgrenze aber auch eine gewisse Dunkelziffer.

Merken Sie Effekte der Kontrollen?

Im Inland, also beispielsweise im Hauptbahnhof Hannover, stellen wir im Vergleich des ersten Halbjahres 2024 zu den ersten sechs Monaten dieses Jahres einen Rückgang von über 15 Prozent der Feststellungen bei den unerlaubten Aufenthalten fest.

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Neben allen Themen, die wir besprochen haben, hat nun auch die Fußballsaison wieder angefangen. Die Bundespolizeidirektion verantwortet mehrere Drehkreuze des Fanverkehrs. Was würden Sie sich für die Ausstattung Ihrer Behörde wünschen, um all das wuppen zu können?

Durch die heutigen erschwerten Rahmenbedingungen verfolgen wir mit Blick auf den Fanreiseverkehr in dieser Saison eine andere Strategie. Wir wollen uns stärker auf die Strafverfolgung konzentrieren.

Aufwendige Einsätze: Die Bundespolizei kontrolliert den Fanreiseverkehr an etlichen Bahnhöfen in Niedersachsen.
Aufwendige Einsätze: Die Bundespolizei kontrolliert den Fanreiseverkehr an etlichen Bahnhöfen in Niedersachsen.

Was meinen Sie damit?

Die Masse der Fußballfans ist friedlich, hier ist eine polizeiliche Begleitung eigentlich nicht erforderlich. Nur einige wenige stören auf der An- und Rückreise. Wer Straftaten begeht, sollte eigentlich gar nicht zum Stadion kommen. Es ist unser Ziel, diese Straftäter stärker zu sanktionieren, und wir wollen für diesen Personenkreis häufiger Beförderungsausschlüsse aussprechen oder erwirken. Es geht letztlich um Störer aus Ultrakreisen, die Pyros nicht nur im Stadion, sondern auch in Bahnhöfen zünden und andere Reisende und normale Fans angreifen und gefährden. In Hannover treffen sie durch den Kreuzungsverkehr regelmäßig zusammen. Diesen polizeilichen Ansatz möchten wir mit den Vorsitzenden der Vereine besprechen.

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Und Sie glauben, dass die Vereine da mitmachen?

Das weiß ich nicht. Ich möchte aber mit den Vereinen ins Gespräch kommen, denn nur so hat man eine Chance, gemeinsame Lösungen zu entwickeln.

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