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„Jetzt kriechen sie wieder aus ihren Löchern“: Schauspielerin Iris Berben beklagt linken Antisemitismus
Die Schauspielerin Iris Berben ist wütend und beklagt Bevormundung, Genussfeindlichkeit und Abneigung gegen Juden bei den Linken. Nur welche Linke meint sie?
Ein Kommentar von Gerrit Bartels
Stand:
Als vor einigen Wochen weit mehr als 200 prominente Kulturschaffende, überwiegend aus dem Filmmilieu, einen offenen Brief an Bundeskanzler Merz aufsetzten und ihn dazu aufforderten, mehr Druck auf Israel auszuüben und Waffenlieferungen zu stoppen, gehörte Iris Berben nicht zu den Unterzeichnerinnen. Klugerweise, muss man sagen, so wohlfeil dieser Brief war, so durchsetzt von einer unangemessenen moralischen Autorität allein qua Prominenz.
Leider hat auch Iris Berben jetzt mit einigen Äußerungen irritiert, die sie über die politische Linke gemacht hat. In der aktuellen Ausgabe der „Zeit“ gab sie zum Besten, sich zwar als „politisch links“ zu bezeichnen, aber die Linke für unbedingt mitschuldig am Aufstieg der Rechten zu halten.
Linke Antisemiten
Und mehr: „Die Haltung der linken Szene gegenüber Israel und den Juden“ sei ihr schon immer „ein böser Stachel in meinem linksliberalen Herzen“ gewesen, dort hätte es „eine Menge Antisemiten“ gegeben: „Und jetzt sind sie wieder aus ihren Löchern gekrochen und vermehren sich, leider und absurderweise auf der linken Seite des politischen Spektrums.“
Wie das so ist bei Fragestellungen wie der „Zeit“ („Sind die Linken selber schuld?“) und wie sie sich dann auch in der Ausgabe abbildete, hat die politisch sich als links verstehende Schauspielerin ein doch recht diffuses Bild von den Linken allgemein.
Gesellschaft
10 Jahre „Wir schaffen das“
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Die hedonistische Linke? Die urbane?
Diese würden einerseits schon lange ihre Hausaufgaben nicht mehr machen (da meint sie wohl politische Parteien wie die Grünen und die SPD), seien andererseits „bevormundend“ und „genussfeindlich“ und machten mithin jede Freude am Leben zunichte (womit sie eine vermutlich woke und/oder radikale Linke meint).
Die Genussfeindlichkeit hat Berben auf Social Media schon Hohn und Spott eingetragen, und tatsächlich scheint sie vergessen zu haben, dass der Linken, die seinerzeit noch alles andere als bevormundend war, sondern im Begriff stand, Regierungsverantwortung zu übernehmen, gern der Vorwurf gemacht wurde, sich zu sehr dem Genuss hinzugeben, von wegen Toskana-Fraktion von Peter Glotz über Joschka Fischer und Oskar Lafontaine bis Gerhard Schröder. Siehe auch unter: hedonistische Linke, die ihre Wurzeln nicht mehr im Blick hat. Oder orientierungslose urbane Mittelschichtslinke.
Tatsächlich sind Berben die extremen Auswüchse der Wokeness ein Dorn im Auge, die sie anscheinend in ihrem angestammten Milieu, dem Film, hie und da wahrnimmt. Doch reicht das wirklich, um so allgemein mit „der Linken“ abzurechnen, wie Berben das in der „Zeit“ macht?
Von „radikaler Verengung der Themen“ spricht Berben – und verengt dabei selbst sehr arg das politisch linke Milieu, dem sie sich angehörig fühlt.