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Abo1. Mai in Winterthur
Bezirksgericht spricht 1.-Mai-Demonstranten weitgehend frei

Versammlung von Menschen mit Regenschirmen vor dem Bezirksgericht Winterthur, Solidaritätskundgebung am 5. Mai 2025, im Zusammenhang mit einem Gerichtsprozess wegen Landfriedensbruch bei der 1. Mai Demo 2024. Foto von Patrick Gutenberg.
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Einen Andrang wie an diesem frühen Montagmorgen sieht das Bezirksgericht Winterthur selten: Rund 50 Links-aussen-Aktivistinnen und -Aktivisten warteten vor dem Eingang im Regen, um ihren Unmut kundzutun. Anlass war, dass sich einer der Ihren im Zusammenhang mit der Demonstration vom 1. Mai 2024 verantworten musste. An dieser kam es zu Sachschaden von mehreren Zehntausend Franken, drei Personen wurden verhaftet.

«Wir erwarten keine Gerechtigkeit von diesem kapitalistischen Gericht», sagte die Sprecherin der Gruppe – der Rest wollte sich gegenüber den Medien nicht äussern. Ihren Namen wollte auch sie nicht nennen. Man sei aus Solidarität mit dem «verhafteten Genossen» hier, sagte sie, und weiter: Der «linke Widerstand» werde kriminalisiert. «Der Justizapparat hat Angst vor uns», zeigt sie sich überzeugt.

Diskussionen um Zahl der Zuschauer

Tatsächlich schien der Justizapparat gewisse Befürchtungen zu haben – auf jeden Fall, wenn es um den Zugang zu den Besucherplätzen des Gerichtssaals ging: Unüblicherweise mussten alle durch den Metalldetektor und eine Polizeikontrolle. 15 Aktivistinnen und Aktivisten wurden reingelassen. Dann hiess es, der Saal sei voll.

Der Verteidiger des Beschuldigten beklagte diese Beschränkung gleich zu Beginn. «Unsere Leute sitzen auch am Boden», sagte einer der Zuschauer unter allgemeinem Gelächter, während sie näher zusammenrückten. Jemand setzte sich auf den Fenstersims. Der Richter legte den Kopf in die Hände und sah dabei aus, als wäre ihm diese Woche jetzt schon zu lang. Schliesslich einigte man sich darauf, noch eine Person mehr reinzulassen, bevor der Prozess tatsächlich losgehen konnte.

Dem Beschuldigten, einem damals 23-jährigen Studenten, wurde vorgeworfen, sich bei der Demonstration in der Winterthurer Altstadt in einer Gruppe bewegt zu haben, von der Sachbeschädigungen ausgingen. Als Teil dieser «Zusammenrottung» habe er sich des Landfriedensbruchs schuldig gemacht. Weiter sei er von einer Polizeikontrolle davongerannt und habe damit eine Amtshandlung behindert. Und schliesslich habe er sich mit einer Hygienemaske widerrechtlich vermummt. Die Staatsanwaltschaft forderte dafür 150 Tagessätze Geldstrafe sowie eine Busse von 200 Franken.

Unvollständiges Polizeiprotokoll

Der Verteidiger hingegen verlangte einen Freispruch in allen Punkten. Die Beweisfotos und -videos seien unklarer Herkunft. «Eine Manipulation ist nicht auszuschliessen.» In den Polizeiberichten wiederum sei nicht festgehalten, wer den jungen Mann kontrolliert haben soll. Es gebe auch keine Beweise, dass er sich in einer bestimmten Gruppe aufgehalten habe, ebenso wenig, dass in seiner Gegenwart gesprayt worden sei. «Das Gesamtbild ist lückenhaft», so sein Fazit.

Das Gericht folgte dem zum grössten Teil. Die Aufnahmen würden nicht eindeutig belegen, dass der Beschuldigte Teil einer Zusammenrottung gewesen sei, so der Richter. Der Polizeirapport sei unvollständig. Das Gericht entschied deswegen auf Freispruch von den beiden Hauptvorwürfen des Landfriedensbruchs und der Hinderung einer Amtshandlung.

Verurteilt wurde der junge Mann hingegen wegen der Vermummung. «Es ist klar, dass Sie das sind», sagte der Richter mit Verweis auf entsprechende Fotos, auf denen der Beschuldigte zuerst mit und dann ohne Hygienemaske zu sehen sei. Hierfür gab es eine Busse von 200 Franken. Bezahlen muss er nur die Hälfte, weil er bereits einen Tag in Haft verbracht hat. Die Kosten wollen die Aktivisten tragen.

Protestierende halten ein Transparent mit der Aufschrift ’Solidarität mit allen Antifas vor Gericht und in Haft!!!’ vor dem Bezirksgericht Winterthur.

Draussen feierten diese die «Schlappe für die Staatsanwaltschaft und die Stadtpolizei». Ändern tue das aber nicht wirklich etwas: «Ob Freispruch oder nicht, wir erwarteten von den Gerichten keine Gerechtigkeit.» Entsprechend werde das Aktivistenkollektiv auch wieder hier sein, wenn demnächst eine weitere Teilnehmerin der letztjährigen 1.-Mai-Demonstration vor Gericht steht. «Glaubt nicht, dass ihr uns stoppen könnt», sangen sie und beklatschten sich selbst, während sie im Regen wieder von dannen zogen.

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