„Der erste Samenspender kam um 17 Uhr, der zweite um 20 Uhr und der dritte am nächsten Morgen“
Mit 30 Jahren wurde Monika Krämer zur Witwe. Trotz Kinderwunsches kam ein neuer Partner für sie nicht infrage. Stattdessen entschied sie sich für eine private Samenspende. Es meldeten sich über 40 Männer.
Sechs Jahre lang war Monika Krämer mit ihrem Mann verheiratet. In dieser Zeit kam die heute zehnjährige Tochter zur Welt. 2019 stirbt der Mann – und Krämer, die eigentlich anders heißt, ist mit 30 Jahren plötzlich alleinerziehend. Auf einen neuen Mann möchte sich die heute 36-Jährige nicht einlassen. Doch unabhängig davon wächst in ihr der Wunsch nach einem zweiten Kind. Sie entscheidet sich, privat nach einem Samenspender zu suchen und teilt in diesem Protokoll ihre Geschichte.
Beim dritten Ultraschall sah der Arzt keinen Herzschlag mehr. Ich war in der zehnten Woche schwanger und hatte mein Kind verloren. Für mich brach eine Welt zusammen. Ich ging von der Praxis nach Hause und weinte, doch für meine Tochter musste ich stark sein, sagte ich mir. Ich würde es noch einmal versuchen. Und diesmal würde es klappen!
Was ich da noch nicht wusste: Die Tragödie würde sich gleich zweimal wiederholen. Erst entwickelte sich der Fötus nach der neunten Woche nicht weiter und ging durch eine Blutung ab. Einige Monate später verlor ich den nächsten in der siebten Woche. Ich war traurig, frustriert und von Selbstzweifeln geplagt. Doch noch wollte ich die Hoffnung nicht aufgeben. Ich wollte unbedingt ein zweites Kind.
Mit meinem Mann bekam ich vor zehn Jahren eine Tochter. Seitdem ist sie mein Lebensmittelpunkt und mein ganzer Stolz. Sie gibt meinem Leben einen Sinn. Als mein Mann vor sechs Jahren starb, war ich plötzlich alleinerziehend. Da waren nur noch meine Kleine und ich. Mit der Zeit spielten wir uns ein, ich zerbrach nicht am Schicksalsschlag. Heute kann ich mein Leben wieder genießen. Mit meiner Tochter unternehmen wir viel und fahren oft in den Urlaub.
„Irgendwann hatte ich es satt, auf einen Mann zu warten“
Nach dem Tod meines Mannes traten einige Männer in mein Leben, doch ich wurde auch oft enttäuscht. Vor drei Jahren entwickelte sich in mir der Wunsch nach einem zweiten Kind und nach einem Geschwisterchen für meine Tochter. Ich wollte schon immer eine große Familie mit Kindern, denen ich ein glückliches Leben schenken kann. Ich wollte ihnen zeigen, wie kostbar das Leben ist und wie schön es sein kann. Es ist wundervoll zu sehen, wie ein kleines Leben in einem heranwächst, wie es auf die Welt kommt, das erste Mal lächelt, sich dreht, krabbelt und läuft. Als meine Tochter aufwuchs, musste ich sehr viel arbeiten und konnte diese Momente nicht genießen. Diesmal sollte es anders werden. Ich bin finanziell abgesichert, gesund, habe Zeit, viel Lebenserfahrung und ein stabiles Umfeld. Ich bin bereit, diese Verantwortung allein zu tragen.
Vor zwei Jahren kam der Moment, in dem ich es satthatte, auf einen Mann zu warten. In mir wuchs die Angst, dass es irgendwann zu spät sein könnte. Ich war damals bereits Mitte 30. Also entschied ich mich, ohne Partner noch mal Mutter zu werden.
Ich informierte mich, wie der Prozess in einer Kinderwunschklinik ablaufen würde und verstand schnell, dass die Kosten für eine künstliche Befruchtung sich auf Tausende Euro belaufen können. Außerdem käme auf mich als Single-Frau ein weiteres Problem zu: Sollte mir etwas passieren, müsste eine „Garantieperson“ die Betreuung meines zukünftigen Kindes garantieren und finanziell dafür aufkommen. Ich habe zwar gute Freunde, doch so weit wäre niemand von ihnen gegangen.
Das alles schreckte mich ab und ich suchte nach einem anderen Weg. Denn ich wusste ja, dass ich schwanger werden konnte – mir fehlte einfach nur das Sperma. Außerdem wollte ich das Geld für eine teure Behandlung lieber sparen und später für mein Kind investieren.
Die Lösung waren private Samenspenden. Männer erklären sich dabei einverstanden, ihr Sperma zur Verfügung zu stellen – ohne jegliche Verpflichtungen. Das klang genau nach dem, was ich suchte. Bei Facebook fand ich einige Gruppen, in denen Menschen mit Kinderwunsch nach diesen Männern suchen können. So kamen erste Kontakte zustande. Dreimal wurde ich mit dieser Methode schwanger, verlor jedoch alle Babys wieder. Meine Gynäkologin sagte mir damals, ich hätte zu viel Stress gehabt, deshalb hätten sich die Embryos nicht eingenistet. Nach dem Vater fragte sie nie. Zum Glück. Denn dass das Sperma von Spendern stammte, traute ich mich nicht zu sagen. Dafür gibt es noch zu viele Vorurteile. Ich wollte mir nicht hereinreden lassen und mich voll und ganz auf die Schwangerschaft konzentrieren.
„Es meldeten sich über 40 Männer“
Nach den drei Fehlgeburten dauerte es einige Monate, ehe ich mich traute, einen neuen Versuch zu wagen. Immer schwang die Angst mit, es könnte wieder nicht klappen. Doch im März fühlte ich mich kräftig genug. Bereits einige Woche zuvor startete ich einen Aufruf in der Facebook-Gruppe, um einen Spender zu finden – und es meldeten sich über 40 Männer. Ich begann, mit ihnen über mehrere Wochen zu schreiben. So mache ich das immer, denn einen geeigneten Spender zu finden, ist nicht ganz einfach. So mancher Mann will die Frauen einfach nur ins Bett kriegen. Mir aber ist wichtig, dass sie gesund leben. Die meisten schickten mir deshalb Gesundheitszeugnisse und ein Spermiogramm.
Sechs Männer suchte ich mir schließlich aus, da ich verunsichert war, ob sie wirklich kommen würden. Und diesen Zyklus wollte ich nicht verstreichen lassen. Ich wusste, dass ich am 5. März meinen Eisprung haben würde. Um die Chancen zu maximieren, verabredete ich mich in dieser Zeit mit vier Männern: Der Erste kam um 17 Uhr, der Zweite um 20 Uhr und der Dritte am nächsten Morgen. Am Abend sollte ich einen weiteren Spender treffen, fühlte mich jedoch nicht wohl und sagte ab.
Normalerweise führe ich die Spenden nur mit der „Becher-Methode“ durch. Die Männer ejakulieren im Bad in einen Becher, geben mir diesen anschließend und verabschieden sich für gewöhnlich. Dann muss es schnell gehen. Ich ziehe das Sperma in eine Spritze auf, führe sie ein und inseminiere mich. Danach lege ich die Beine hoch und sorge meist für einen Orgasmus. Durch die Kontraktionen der Gebärmutter hoffe ich, dass die Spermien schneller zur Eizelle befördert werden und sich die Chancen auf eine Befruchtung so erhöhen.
Doch der erste Spender war mir auf Anhieb so sympathisch und ich fand ihn sehr attraktiv, dass ich mich für Geschlechtsverkehr entschied. Bei den beiden anderen blieb ich bei der „Becher-Methode“.
Die Männer wollten für ihre Spenden keine finanzielle Entschädigung, was mir natürlich recht war. Vieles funktioniert auf Vertrauensbasis. Wir schlossen auch keinen Vertrag ab. Ich würde sie nie auf Unterhalt verklagen. In diesem speziellen Fall weiß ich nicht einmal, wer der drei Spender der spätere Vater wäre. Doch diese Ungewissheit stört mich nicht. Ich wollte mich auf mein zukünftiges Kind fokussieren, nicht auf den Erzeuger. Außerdem wollten alle Spender anonym bleiben.
„Die Tage fühlten sich wie eine Ewigkeit an“
Bereits fünf Tage nach der Spende begannen die ersten Symptome. Meine Brüste schwollen an, ich bekam Übelkeit und war sehr empfindlich auf Gerüche – besonders wenn meine Tochter durchgeschwitzt von der Schule nach Hause kam oder ich an der Parfümabteilung in der Drogerie vorbeiging. Ich hatte ständige Gelüste nach Orangen, Schokolade und Fast Food. Und ich musste oft auf die Toilette. Alles sah nach den typischen Schwangerschaftssymptomen aus, doch meine Zweifel blieben. Vielleicht bildete ich es mir ein, weil ich so sehr wollte, dass es klappte. Die Tage fühlten sich wie eine Ewigkeit an.
Acht Tage nach dem Eisprung begann ich bereits mit den ersten Tests – natürlich viel zu früh. Doch ich konnte es nicht mehr länger abwarten. Ich fühlte mich frustriert und hoffnungsfroh zugleich, dass es positiv ausfallen würde. Zum Glück standen mir in dieser Zeit gute Freunde bei, die immer ein offenes Ohr für mich hatten. Die Tests schlugen jedoch nicht an.
Am elften Tag testete ich erneut. Von meinen früheren Schwangerschaften wusste ich, dass an diesem Tag für gewöhnlich die ersten Tests ein verlässliches Ergebnis lieferten. Plötzlich sah ich einen Hauch von einem zweiten Strich. Ich leuchtete das Feld mit einer Taschenlampe aus – und da war er ganz schwach zu sehen.
Am Tag darauf machte ich drei verschiedene Tests und alle waren positiv. Die Freude darüber war unbeschreiblich. Zur Sicherheit testete ich die Tage darauf immer wieder – und der Strich war ganz deutlich zu sehen. Ich war schwanger!
Seit der Befruchtung sind nun vier Wochen vergangen. Ich denke an fast nichts anderes mehr. Ich hoffe so sehr, dass dieses Baby es schafft. Auch meine Tochter wünscht sich sehnlichst ein Geschwisterchen. Sie weiß, dass sie bald eventuell eines bekommen würde. Die Details kennt sie jedoch nicht. Ich erzähle ihr – wie vielen anderen, außer meinen engen Freunden – dass ich einen One-Night-Stand hatte und dabei schwanger wurde.
Entgegen allen Vorurteilen, die Menschen eventuell gegen meinen Lebensentwurf haben, weiß ich, dass ich es schaffen werde, für beide Kinder eine gute Mutter zu sein.
Man muss nicht in einer Paarbeziehung sein, um ihnen ein gutes Leben zu schenken. Viele Kinder wachsen mit getrennten Eltern auf oder welchen, die in unglücklichen Beziehungen sind – und leiden teilweise sehr darunter. Für mich ist das Wichtigste, dass das Kind in einem stabilen Umfeld groß wird. Am Ende kann niemand – egal ob alleinerziehend oder als Paar – einem Kind alles geben. Wir versuchen aber unser Bestes.
Meine Tochter ist glücklich. Sie hat kaum Erinnerungen an ihren Vater und vermisst nichts – selbst wenn andere Kinder von ihren Vätern erzählen. Als männliche Bezugsperson ist mein bester Freund für sie da, mit dem sie jederzeit reden kann.
Für uns ist „Familie“ nicht das, was auf dem Papier steht oder was die Gene definieren. Es ist das, wo man sich zu Hause fühlt und von Liebe umgeben ist. Jeder sollte so leben, wie er es für richtig hält, ohne sich dabei für die Gesellschaft zu verbiegen.
Irgendwann werde ich beiden Kindern die Umstände altersgerecht erklären. Jetzt stecke ich meine ganze Hoffnung in die gute Entwicklung des Fötus. In drei Tagen steht mein erster Ultraschall an.