"Sehr geehrte Frau Ministerin": Eine lange Blutspur
Ursula Krechels Roman "Sehr geehrte Frau Ministerin" erinnert an einen Thriller und kreist um die Frage: Woher kommt die plötzliche Gewalt in der demokratischen Öffentlichkeit? Eine Begegnung mit der Schriftstellerin
Artikel aus DIE ZEIT
Erschienen in
DIE ZEIT Nr. 3/2025
Artikelzusammenfassung
Die renommierte Schriftstellerin Ursula Krechel präsentiert in ihrem neuen Roman "Sehr geehrte Frau Ministerin" ein anspruchsvolles Werk, das sich mit der nervösen und gewalttätigen Gegenwart auseinandersetzt. Der Roman dreht sich um drei Frauen, darunter eine Einzelhandelskauffrau und eine schwer erkrankte Lateinlehrerin, sowie eine namenlose Justizministerin, auf die ein Attentat geplant ist. Krechel, bekannt für ihre literarischen Werke über nationalsozialistische Verbrechen, zeigt in diesem Roman die Verknüpfung von Strukturen und Gewalt bis in die Gegenwart auf. Durch kunstvolle Erzähltechnik und Rückblenden in die Antike thematisiert sie toxische Männlichkeit und die Fragilität staatlicher Institutionen. Der Roman, der auch autobiographische Elemente der Autorin enthält, ist ein eindringlicher Blick auf die aktuelle politische Konfliktlage und die Bedrohung der Rechtsstaatlichkeit.
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Wir hatten uns vor dem Bode-Museum verabredet. Das Café darin, schrieb Ursula Krechel, besuche sie immer gern. Es war ein frostiger Nachmittag, nur wenige Passanten. Sie stand vor dem Eingang des so repräsentativen neobarocken Gebäudes. Das berühmte Museum auf der Berliner Museumsinsel, das die Skulpturen-, die Münzsammlung und byzantinische Kunst beherbergt, habe geschlossen, sagte sie zur Begrüßung: neuerdings auch dienstags, das habe sie vergessen. Wegen der Haushaltslage der so armen Stadt Berlin (es klang, wie immer, wenn man in der Hauptstadt über die Hauptstadt spricht, ratlos, resigniert und amüsiert zugleich). Wir setzten uns in die Bar des großen, nahe gelegenen Hotels Telegraphenamt, gedämpftes Licht, hoteltypisch sanfter Pop (die sogenannte Hintergrundmusik), kaum Gäste, nicht unangenehm.