Gut zu wissen
- Als Nils Fredriksen 1969 zu Claas stieß, wurde dort gerade der stufenlose Traktor HSG entwickelt.
- Ab 1978 gab es das geheime „Projekt 207“, Nils Fredriksen wurde der Entwicklungsleiter.
- 1993 wurde der Xerion offiziell vorgestellt.
- Der große Knackpunkt war das Getriebe.
- Seit 2004 läuft der Xerion einwandfrei, in seiner Klasse hat er viele Alleinstellungsmerkmale.
Nils Fredriksen (Jahrgang 1941) ist ein echtes Nordlicht: Er stammt gebürtig aus der Gemeinde Eidsberg im Landesteil Østfold in Norwegen. Nach dem Abitur verschlug es ihn 1961 nach Braunschweig zum Maschinenbaustudium. Am 2. Mai 1969 trat er eine Stelle als Konstrukteur für hydrostatische Antriebe bei Claas in Harsewinkel an.
Nach guten Jahren geriet die Landmaschinenbranche damals in eine schwere Krise, die auch Claas erwischte. So brach der Mähdrescherabsatz in der Saison 1970/71 allein in Deutschland um fast die Hälfte ein. Claas kam nicht umhin, die Belegschaft zu verkleinern, und so suchte sich auch Nils Fredriksen 1972 notgedrungen einen anderen Job. Im Frühjahr 1976 traf er Helmut Claas wieder. Die Krise war vorbei, und Claas holte Pläne des stufenlosen Traktors HSG wieder aus der Schublade. Davon waren zwischen 1968 und 1972 drei Exemplare entstanden.
Die Anfänge des Xerion
Am 1. Juli 1976 stieg Nils Fredriksen wieder bei Claas ein. Er begann in enger Abstimmung mit dem Firmenchef, ein Basisfahrzeug mit verschiedenen Aufbauten zu entwickeln — ähnlich wie der Unimog, jedoch mehr für die Erntetechnik. Gesetzt waren vier gleich große Räder, ein stufenloses Getriebe, über 200 PS, eine drehbare Kabine sowie alle Qualitäten eines Traktors.
Helmut Claas verhängte höchste Geheimhaltung. Im Jahr 1977 besorgten der Entwicklungsleiter Nils Fredriksen und sein Team einen Raba 180 mit 180 PS aus Ungarn. Auf dessen Basis konstruierten sie ein ganz neues Fahrzeug. Anfang 1979 stand der Prototyp des „Projektes 207“ auf den Rädern, bereits mit zwei lenkbaren Achsen!
Die Lenkachsen sowie der 245-PS-Motor kamen auch von Raba. Das stufenlose, hydrostatisch-mechanisch leistungsverzweigte Getriebe stammte von der Firma Sundstrand aus den USA. Diese stellte die Produktion aber noch im selben Jahr ein.
Eigenes Triebwerk
Dem folgten ab 1980 Versuche mit einem selbst konstruierten 18-Gang-Lastschaltgetriebe. Doch schaltete dies zu unkomfortabel, und die Stufensprünge waren für die Ernte zu grob. Der Ruf nach Stufenlosigkeit wurde immer lauter.
Ab 1987 entwickelten Fredriksen und sein Team ein Getriebe nach Patenten von Prof. Jarchow von der Universität Bochum. Es hatte acht stufenlose Fahrbereiche, den ersten vollhydrostatisch, die weiteren sieben mit Leistungsverzweigung. Es trug den Arbeitsnamen HM-8 und wurde anfangs in einem MB trac 1500 getestet. Im Jahr 1993 wurden zwei 207-Prototypen damit ausgerüstet. Die elektronische Steuerung kam von einem MAN-Tochterunternehmen, das über Erfahrungen mit stufenlosen Linienbussen verfügte.
Im November 1993 wurde der Xerion offiziell vorgestellt, der neue Name ersetzte die Nummer 207. Doch war das Getriebe in der Entwicklung und Herstellung sehr teuer, was große Stückzahlen erforderte. Auf der Suche nach Partnern sprachen Helmut Claas und Nils Fredriksen unter anderem mit
Massey Ferguson, Renault, JCB, ZF, Fendt, Schlüter, Mercedes-Benz und Caterpillar. Diese waren sehr interessiert und rüsteten teils eigene Prototypen damit aus, doch eine Kooperation gab es am Ende mit keinem.
Vom HM-8 zum Eccom
Bis 1999 wurden etwa 80 Xerions mit HM-8-Getriebe gebaut. Doch war es nicht zuverlässig genug. Deshalb ruhte die Produktion des Xerion bis 2004, die Entwicklung lief aber mit dem Eccom-Getriebe von ZF weiter. Bereits 1998 war Nils Fredriksen in das Claas-Werk Paderborn gewechselt, um dort ein verbessertes und stärkeres Nachfolgegetriebe zu entwickeln. Doch wirtschaftlich gesehen war die Kooperation mit ZF sinnvoller. Die bereits verkauften Xerions erhielten teils ein HM-8-Austauschgetriebe, einige wurden zurückgenommen, und andere wurden ab 2004 gegen das neue Modell mit ZF-Getriebe ausgetauscht.
Diese Kombination kennzeichnet noch heute den Xerion. Wurde er anfangs vor allem vom Wettbewerb belächelt, hat er inzwischen in vielen Disziplinen die Messlatte aufgelegt. Im Rückblick sagt Nils Fredriksen: „Gäbe es Helmut Claas nicht, gäbe es auch keinen Xerion. Er hat mir und meinem Team immer den Rücken freigehalten“.
Espen Syljuåsen, Wilfried Holtmann, nach einer Übersetzung von Nils Fredriksen aus der norwegischen Zeitschrift Traktor
Espen Syljuåsen, Wilfried Holtmann, nach einer Übersetzung von Nils Fredriksen aus der norwegischen Zeitschrift Traktor