Jahrzehntelang sitzen Walter und Ullrich Dießner in einem Boot und machen zusammen Karriere. Von Dauer-Verlierern arbeiten sie sich nach oben bis in die Weltspitze. Mit sechs Kindern und zwölf Enkeln feiern sie jetzt ihren 70. Geburtstag.
Dresden. Zwillinge haben besondere Sensoren. Sie spüren, was der andere fühlt. Das ist auch bei den Dießners so. Die Meißner Ruder-Zwillinge gewannen bei Olympia sowohl Gold als auch Silber und außerdem vier WM-Titel. Walter kam am 27. Dezember 1954 gegen 22 Uhr zur Welt, Ullrich eine halbe Stunde nach Mitternacht. „Wir haben es immer genossen, uns zu haben“, sagt Walter, und er erklärt: „Eineiige Zwillinge sollen besonders viele Gemeinsamkeiten haben. Das stimmt. Wir waren Jahrzehnte fast ständig zusammen.“
Im Interview mit der Sächsischen Zeitung spricht Walter Dießner auch für seinen Bruder. Der Grund: „Ulli ist gesundheitlich gehandicapt. Mir tut es extrem leid, dass es ihm schon länger nicht gut geht.“ Viel mehr sagt er dazu nicht, nur das noch: „Wir müssen das Beste daraus machen.“ Wie damals, als beide in einem Ruderboot saßen.
Den Anstoß zu einer großen Karriere gab es im Dorf durch Dieter Grahn. Der zweifache Olympiasieger mit dem Dresdner Vierer ohne Steuermann wuchs wie die Dießners in Bockwen bei Meißen auf. „Als er das erste Mal Weltmeister wurde, zogen wir Dorfkinder zum Bootshaus“, erzählt Walter Dießner. Wie viele andere fanden auch sie Spaß am Wassersport.
Die zwei großen Jungs fielen auf: Sie waren spindeldürr. Ihnen gefiel die Gemeinschaft, dass Rudern auch Arbeit ist, störte sie nicht. Aber sie belegten zunächst nur letzte Plätze – bis sie dem Vater stolz berichteten: „Wir wurden Vorletzte.“ Das stachelte den Ehrgeiz an. Doch die Dießners wussten, dass sie mehr tun müssen und trainierten fünfmal pro Woche mindestens zwei Stunden, machten Extra-Krafttraining zu Hause. Das schlug an, reichte aber nicht für den Sportklub. Aus Dresden hörten sie: „Kommt wieder, wenn ihr kräftiger seid.“