Ein Leben ohne Fehler ist utopisch. Oder klingt es etwa realistisch, dass wir bei bis zu 20.000 Entscheidungen, die ein Mensch täglich trifft, immer auf Anhieb die Richtige wählen? Definitiv nicht. Fehler sind normal, menschlich und sogar gut – denn aus ihnen lernen wir und können wachsen. Und doch fällt es vielen sehr schwer, zuzugeben, wenn sie einen Fehler gemacht haben. Was dahinterstecken kann, beschreibt die amerikanische Psychologin Molly Howes in ihrem Buch "A Good Apology".
Deshalb geben wir so ungern Fehler zu
Wir orientieren uns an kulturellen Erwartungen
In der Gesellschaft werden Fehler oft – leider auch heute noch – als negativ angesehen. Reaktionen wie "Na toll!" oder "Nicht dein Ernst!" beweisen es und fallen in einigen Kreisen häufiger als ein beruhigendes "Kann doch mal passieren, kein Problem". Und nicht nur Worte, auch Blicke sprechen manchmal Bände. "Ein nachsichtiger und konstruktiver Umgang mit Fehlern ist keine Selbstverständlichkeit in unserer Gesellschaft", schreibt Howes in ihrem Buch. Die Folge: Es entsteht ein mulmiges Gefühl, Fehler zuzugeben, weil niemand als schwach und blöd vor den Mitmenschen dastehen möchte.
Wir sind ohnehin bereits sehr selbstkritisch
Welche Ansprüche haben wir an uns selbst? Wollen wir immer alles perfekt machen, sind wir wahrscheinlich ziemlich selbstkritisch. Wir analysieren, wo wir uns noch verbessern können und sind selten wirklich endgültig zufrieden. Uns selbst einzugestehen, dass wir etwas falsch gemacht haben – mit tiefer Scham verbunden. Stattdessen suchen wir lieber die Schuld in anderen oder verheimlichen, was gerade passiert ist.
Wir haben Angst vor den Konsequenzen
Fällt es uns schwer einen Fehler zuzugeben, kann das auch daran liegen, dass wir die Folgen fürchten. Ein typisches Beispiel stellt ein Seitensprung in einer Beziehung dar. Geben wir diesen zu und entschuldigen uns, verletzten wir unser Gegenüber nicht nur, sondern geben auch die Handlungsmacht ab: Verzeiht er:sie uns oder möchte er:sie die Trennung? Haben wir in diesem Beispiel Verlustangst, überwiegt diese möglicherweise und wir behalten den Fehler für uns.
Oder aber wir haben das Gefühl, im Beziehungs- oder einem anderen Kontext, dass eine Entschuldigung und den Fehler zuzugeben eh nichts bringen würde. "Manche Menschen wiederum wollen nicht um Verzeihung bitten, weil sie das Gefühl haben, sie könnten damit nichts ausrichten", erklärt die Psychologin.
Wir haben selbst schlechte Erfahrungen gemacht
Unsere Kindheit prägt uns, das ist ganz klar. Es spielt entsprechend auch eine entscheidende Rolle, wie uns damals der Umgang mit Fehlern und Schuldzuweisungen vorgelebt und beigebracht wurde. Möglicherweise wurden wir bestraft, wenn wir einen Fehler zugaben. Die Folge: Wir machen es lieber nicht mehr. Oder vielleicht wurden wir gezwungen uns zu entschuldigen, auch wenn wir eigentlich im Recht waren. Die Folge: Entweder nehmen wir im Erwachsenenalter zu schnell die Schuld auf uns, oder aber wir verschließen uns davor und möchten uns eigentlich gar nicht mehr für einen Fehler entschuldigen. In jedem Fall kommt keine gesunde Fehler-Kultur heraus, wenn uns diese nicht vernünftig gezeigt und vorgelebt wurde.
Außerdem ist unser Gehirn beteiligt
Zuletzt sollten wir noch einen Blick auf unser Gehirn werfen. Denn auch dieses ist dafür verantwortlich, dass wir ungern Fehler zugeben. "Das Gehirn ist süchtig danach, recht zu behalten", schreibt Howes. Denn tun wir das, wird unter anderem Dopamin, der "Botenstoff des Glücks" ausgeschüttet und wir fühlen uns gut. Und sich absichtlich schlecht zu fühlen, möchte wohl niemand.
Fazit
Es kann also mehrere Gründe haben, weshalb es uns so schwerfällt, einen Fehler offen zuzugeben. Am Ende sollten wir uns aber immer wieder daran erinnern, dass Fehler menschlich sind, allen passieren und danach auch meist nicht das Worst-Case-Szenario eintritt, das wir uns sofort ausmalen. Es kann dabei auch hilfreich sein, einmal die Seiten zu wechseln: Wenn unser Gegenüber ein Fehler macht und diesen nicht zugibt – wie würden wir uns fühlen? Wahrscheinlich nicht gut, belogen und enttäuscht. Also gehen wir mit gutem Beispiel voran und stehen zu unseren Taten!