Ex-Torjäger Marcel Ziemer spricht über Krise bei Hansa Rostock: „Sie haben das unterschätzt“
Marcel Ziemer war früher Profi bei Hansa Rostock und ist jetzt Trainer der zweiten Mannschaft des FC Förderkader.
Quelle: Johannes Weber
Rostock. Er war Torjäger, Fanliebling und Identifikationsfigur beim FC Hansa und beobachtet das Geschehen bei seinem Ex-Verein noch immer sehr genau. Marcel Ziemer sieht die aktuelle Situation kritisch, dennoch ist er zuversichtlich, dass der Koggenklub nach dem Fehlstart das Ruder herumreißen wird. „Man hat das Ganze vielleicht ein bisschen unterschätzt“, sagt der 39-Jährige im OZ-Podcast „Nachspielzeit“. Er glaube aber, dass der Kader stark genug ist, um die Liga zu halten: „Darum geht es erst mal.“
Der gebürtige Pfälzer war bei Hansa von 2014 bis 2018 fürs Toreschießen zuständig. In 102 Pflichtspielen gelangen dem bulligen Angreifer 43 Treffer. Ziemer überzeugte als Führungsspieler, der seinen Teamkollegen die Richtung zeigen konnte. Davon gebe es in der aktuellen Mannschaft zu wenig: Er hätte sich noch mehr gestandene Profis im neuen Team gewünscht. „Es ist einfach so: Du hast hier eine Fanbase, die unfassbar geil ist, die aber auch gewaltigen Druck entwickeln kann. Da brauchst du erfahrene Jungs, die das Ganze tragen können. Ich weiß nicht, ob unsere 20-/21-Jährigen oder die aus dem eigenen Jugendbereich diesem Druck standhalten können.“
Marcel Ziemer hätte Oliver Hüsing nicht gehen lassen
Einen Spieler vermisst Ziemer besonders: „Ich hätte mir einen Olli Hüsing gewünscht. Natürlich hat er nicht performt, aber er hat ein breites Kreuz und kann sich vor eine Mannschaft stellen. Ich kenne den Jungen, der ist Profi durch und durch. Ich hätte den nicht abgegeben, weil du diese Säulen brauchst, um den jungen Kerlen ein bisschen den Druck zu nehmen“, sagt der Ex-Angreifer.
Defensivspezialist Hüsing hatte seine Profikarriere mit dem Auslaufen seines Vertrages nach der vergangenen Abstiegssaison beendet und arbeitet mittlerweile im Nachwuchsleistungszentrum seines Heimatvereins Werder Bremen.
Rostocks Marcel Ziemer wird im Spiel gegen Dynamo Dresden hart bedrängt.
Quelle: IP/Bongarts
Auch Marcel Ziemer machte seine letzten Spiele als Profi für den Koggenklub. Nach seinem Karriereende 2018 zog es ihn zunächst in seine pfälzische Heimat nach Worms. Aus Liebe zu seiner Frau kehrte er vor zwei Jahren in den Nordosten zurück. „Meine Frau ist von hier oben. Es ist schwierig, ein Küstenkind von der Küste fernzuhalten.“ In Rostock hat sich der Ex-Profi mit seiner Familie ein neues Leben aufgebaut. Heute arbeitet der gelernte Immobilienkaufmann als Wohnungsverwalter bei der Wiro, der größten Wohnungsgesellschaft des Landes.
Ex-Torjäger enttäuscht von Hansa-Verantwortlichen
In seiner Freizeit coacht er die zweite Herrenmannschaft des FC Förderkader. Trotz chronischer Knieprobleme tritt er gelegentlich auch selbst noch gegen den Ball. „Die Kondition ist natürlich gar nicht vorhanden, trotzdem juckt es immer“, sagt er.
Seinem Ex-Verein Hansa ist Ziemer noch immer verbunden, die persönlichen Drähte sind aber mittlerweile überschaubar. „Es ist ganz viel neu, da hat man nicht mehr so viel Kontakt. Aber man ist mit dem Herzen dabei, wenn man mal bei Hansa war.“ Etwas enttäuscht war er von den Verantwortlichen nach seinem verletzungsbedingten Karriere-Aus. „Zu dem Zeitpunkt hieß es: ‚Cello, wenn irgendwas ist, melde dich gerne, wir kriegen da was hin‘“, erzählt der Fußballer, der nach 15 Profi-Jahren in eine ungewisse Zukunft blickte. „Natürlich habe ich mich gemeldet, um irgendwie Fuß zu fassen. Aber so richtig Feedback kam eigentlich nie, leider.“ Er sei aber nicht nachtragend. „Ich habe meinen Weg gefunden, das ist in Ordnung. Wir sind gesund, es geht uns gut.“
Hansa drückt Ziemer vor dem Kellerduell gegen Schlusslicht Waldhof Mannheim weiter die Daumen: „Die Truppe ist nicht verkehrt, aber es wird noch etwas dauern, bis man ein gutes Grundgerüst hat.“
OZ
