Es ist längst finster, und der fahnengeschmückte Markt vor dem Rathaus ist nicht eben günstig ausgeleuchtet. Doch das allein erklärt nicht, warum die Bonner Bürgerschaft am Abend des 12. September 1949 den gerade gewählten Bundespräsidenten Theodor Heuss mit dem niedersächsischen Ministerpräsidenten Hinrich Wilhelm Kopf verwechselt und zunächst diesem applaudiert, als sei er ihr Staatsoberhaupt. Heuss ist den Deutschen damals noch kaum bekannt. Als er auf der Freitreppe des Rathauses erscheint, intoniert das Orchester das Tedeum anstelle des inzwischen verpönten "Deutschland, Deutschland über alles", und die Menschen stimmen ein: "Großer Gott, wir loben dich" – wohl in dem Gefühl, dass es mit der neuen politischen Ordnung vorangeht, auch wenn ihr noch mehr fehlt als nur eine Nationalhymne.
Theodor Heuss: Etwas wie Scham
Vor 75 Jahren wurde Theodor Heuss zum ersten Bundespräsidenten der jungen Bonner Republik gewählt. Er redete den Deutschen ins Gewissen – und setzte sich für verurteilte NS-Verbrecher ein. Wie passte das zusammen?