Die von der Bundesregierung eingesetzte Expertenkommission zum Energiewende-Monitoring hat vor der รผberproportionalen Belastung einkommensschwacher Haushalte durch die Energiewende gewarnt. Nach Auswertung der Kommission mussten die zehn Prozent der einkommensschwรคchsten Haushalte im vergangenen Jahr rund 1600 Euro im Jahr fรผr Energie ausgeben. Das entspricht einem Anteil von rund zwรถlf Prozent ihres Haushaltseinkommens.
Eine abgestimmte Definition von โEnergiearmutโ gibt es nicht. Der Verbraucherzentrale Bundesverband verwendet als Richtwert ein bestimmtes Verhรคltnis zwischen Haushaltsnettoeinkommen und den Ausgaben fรผr Heizen, Warmwasser und Strom.
Demnach liegt Energiearmut vor, wenn ein Haushalt mehr als zehn Prozent seines Nettoeinkommens fรผr Energie ausgibt. Dies wรคre laut Bericht der Expertenkommission nun bei rund zehn Prozent der deutschen Haushalte der Fall.
โEnergiearmut ist ein fรผr Deutschland relevantes Themaโ, heiรt es entsprechend im ersten Bericht der vierkรถpfigen Kommission unter Leitung des Bochumer Umwelt-รkonomen Andreas Lรถschel. โJe nach Definition lebten im Jahr 2022 zwischen vier Prozent und 25 Prozent der Haushalte in Deutschland in Energiearmut, der Anteil ist wรคhrend der Energiepreiskrise deutlich gestiegen.โ
Die Verwendung des Begriffs โEnergiepreiskriseโ deutet darauf hin, dass sich der Kommissionschef nicht nur die Folgen des russischen Angriffskrieges bezieht: Die Energiekosten in Deutschland waren bereits vor Kriegsbeginn infolge des verschรคrften europรคischen Emissionshandels deutlich gestiegen.
Die reichsten zehn Prozent unter den Einkommensgruppen verbrauchen laut Datenlage im Schnitt knapp doppelt so viel Energie pro Jahr wie das einkommensschwรคchste Dezil. Der Anteil der Energieausgaben am Einkommen betrรคgt hier aber nur zwei Prozent. โDie Energiewende birgt das Risiko, diese ungleiche Belastung noch zu verstรคrkenโ, warnen die Experten.
Akzeptanz der Energiewende ist gesunken
Die von der Bundesregierung berufene Monitoring-Kommission ist von Weisungen unabhรคngig. Neben Lรถschel gehรถrt dazu die Nรผrnberger รkonomin und Wirtschaftsweise Veronika Grimm, der Forschungskoordinator beim รko-Institut Felix Matthes und Anke Weidlich, Inhaberin der Professur fรผr Technologien der Energieverteilung an der Universitรคt Freiburg.
Um die gesellschaftliche Akzeptanz der Energiewende nicht zu gefรคhrden, empfehlen die Experten unter anderem โeine kurzfristige Abfederung der negativen Verteilungswirkungen, durch direkte Einkommensunterstรผtzung oder die Auszahlung eines (sozialen) Klimageldes fรผr besonders betroffene Haushalteโ. Wie der Bund solche Ausgleichszahlungen finanzieren soll, bleibt allerdings unklar.
Schon der Bedarf der รkostrom-Beihilfen um weitere neun Milliarden Euro in diesem Jahr stellt den Bundeshaushalt vor eine Belastungsprobe. Der Klimatransformationsfonds (KTF), der sich vor allem aus den Einnahmen der staatlichen COโ-Abgaben speist, ist bereits weitestgehend ausgeschรถpft. Die einst avisierte Auszahlung eines nennenswerten โKlimageldesโ an die Bรผrger in dieser Legislaturperiode scheint inzwischen ausgeschlossen.
Entsprechend gelitten hat die Unterstรผtzung der Energiewende in der Bevรถlkerung. Die Expertenkommission hat dazu mehrere Umfragen ausgewertet. Demnach halten zwar weiterhin die meisten Bรผrger (90 Prozent) die รถkologische Transformation fรผr wichtig oder sehr wichtig.
Doch der Anteil der Befragten, die der Bundesregierung eine โgute Umsetzungโ bescheinigen, hat sich seit 2017 mehr als halbiert. Waren damals noch 42 Prozent mit der Energiepolitik zufrieden, hielten im vergangenen Jahr nur noch 20 Prozent der Befragten die Umsetzung der Energiewende fรผr โgutโ. Der Anteil der Bewertungen mit โschlechtโ stieg im selben Zeitraum von 33 auf nunmehr 55 Prozent.
โAuch erwarten 26 Prozent der Befragten im Rahmen der Energiewende negative persรถnliche Auswirkungen auf ihr Wohnumfeld, was einer Verdopplung im Vergleich zum Jahr 2017 gleichkommtโ, stellt die Kommission fest.
Handlungsbedarf bei der Energiewende
Der Bundesregierung empfehlen die Experten, die Stromsteuer quer รผber alle Verbrauchergruppen, einschlieรlich Kleingewerbe, dauerhaft abzusenken. โDies sollte im Rahmen einer COโ-basierten Energiepreisreform geschehen, bei der die Umlagen und Abgaben auf Strom gesenkt werden und dies mit einer hรถheren COโ-Bepreisung fossiler Energietrรคger gegenfinanziert wirdโ, sagte Kommissionsmitglied Weidlich. Dies fรถrdere โinsbesondere die verstรคrkte Elektrifizierung, etwa durch Wรคrmepumpen fรผr Gebรคudeheizungen, Elektroautos im Verkehr und neue Prozesstechnologien in der Industrie.โ
Insgesamt sieht die Kommission in nahezu allen Bereichen der Energiewende Handlungsbedarf. Sie bewertet den Status der jeweiligen Zielerreichung mit den Ampelfarben โgrรผnโ, โgelbโ und โrotโ. In der neuen รbersicht der Experten dominieren die Farben โgelbโ und โrotโ in praktisch allen Handlungsfeldern, vom Thema Versorgungssicherheit รผber Wirtschaftlichkeit und Umweltvertrรคglichkeit bis hin zur gesellschaftlichen Akzeptanz.
Einzig beim Ausbau der erneuerbaren Energien und Batteriekapazitรคten zeigt die Ampel der Kommission auf โgrรผnโ. Der Neubau von Windkraftanlagen hatte im vergangenen Jahr Fahrt aufgenommen. Die Installation neuer Solarstrom-Kapazitรคten hatten im vergangenen Jahr sogar einen nie dagewesenen Rekordwert von 14,6 Gigawatt erreicht.
Das Problem, die grรผnen Kilowattstunden auch einer sinnvollen Verwendung zuzufรผhren, bleibt aber bestehen: Sowohl beim Stromnetzausbau als auch beim Thema Netzengpรคsse zeigt im Gutachten die Ampelfarbe โrotโ weiterhin groรen Handlungsbedarf.








