Es ist Wahlkampf. Da kommt den Politikern eine dringliche Debatte über ein emotional aufgeheiztes Thema wie die «Roschacher-Blocher-Affäre» gerade gelegen. Die Fraktionen haben diese denn auch gegen den Willen des Büros des Nationalrats durchgesetzt. Sämtliche grösseren Parteien, ausser die CVP,
Es ist Wahlkampf. Da kommt den Politikern eine dringliche Debatte über ein emotional aufgeheiztes Thema wie die «Roschacher-Blocher-Affäre» gerade gelegen. Die Fraktionen haben diese denn auch gegen den Willen des Büros des Nationalrats durchgesetzt. Sämtliche grösseren Parteien, ausser die CVP, haben entsprechende Interpellationen eingereicht. Darin sprechen sie eine rechtsstaatlich zentrale Frage an: die Unabhängigkeit der Bundesanwaltschaft. Darum ginge es tatsächlich auch. Doch ist zu befürchten, dass es in der Debatte vom nächsten Mittwoch, zum blossen politischen Schlagabtausch einerseits mit dem SVP-Justizminister und anderseits mit der CVP-Präsidentin der GPK-Subkommission kommen wird. Manche werden die Gelegenheit voraussichtlich auch nutzen, um die unsinnige Diskussion über wie auch immer geartete Geheimpläne fortzusetzen. Eine substanzvolle Debatte benötigte sorgfältig erarbeitete Grundlagen. Solche gibt es aus früheren Jahren mit dem Bericht aus dem Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartement (EJPD) von 2005 zur Aufsicht über die Bundesanwaltschaft zwar. Doch auf die jüngsten Vorwürfe ausgerichtete Abklärungen, die über den vorläufigen GPK-Bericht hinausgingen, stehen noch aus. Weitgehend einig ist man sich, dass die gegenwärtige zweigeteilte Aufsicht über die Bundesanwaltschaft – administrativ beim EJPD, fachlich bei der Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts – sich als problematisch erwiesen hat. Denn fachliche und administrative Aufsicht sind schwer voneinander zu trennen. Ergeben sich Probleme, können diese beide Aufsichtsbereiche betreffen. Bis 2002 lag die ungeteilte Aufsicht beim Bundesrat. Nun hat der Bundesrat eine Rückkehr zu diesem System vorgeschlagen.Welche Zuordnung?Wo die Bundesanwaltschaft beziehungsweise die Funktion der Staatsanwaltschaft am zweckmässigsten und unter Beachtung rechtsstaatlicher Gesichtspunkte am besten anzusiedeln ist, ist eine Frage, die bereits im 19. Jahrhundert die Staatsgründer beschäftigte. Die Bundesanwaltschaft erfüllt eine Rechtspflege-Funktion. Sie deshalb der Judikative zuordnen zu wollen und somit aufsichtsrechtlich dem Bundesgericht zu unterstellen, wofür FDP und SP votieren, ist vordergründig nachvollziehbar. Denn die Bundesanwaltschaft dient ähnlich wie ein Gericht der Durchsetzung des Rechts und soll deshalb unabhängig in ihrer Tätigkeit, insbesondere von der politischen Macht, sein. Bei näherer Betrachtung muss man aber auch ihre klar von der Gerichtsbarkeit unterschiedene Funktion erkennen. Die Trennung von Gericht und Untersuchungsbehörde samt Anklage, die Befreiung vom gleichzeitig untersuchenden und urteilenden Richter war nach der Französischen Revolution eine Errungenschaft des liberalen Rechtsstaates. Mit der aufsichtsrechtlichen Unterstellung der Bundesanwaltschaft unter das Bundesgericht wäre die Unbefangenheit des Gerichts tangiert. Denn dieses hätte im Einzelfall Untersuchungshandlungen oder die Anklage der Bundesanwaltschaft zu beurteilen, die es gleichzeitig aufsichtsrechtlich kontrolliert.Zwischen zwei gewaltenStrukturell betrachtet, gehören die Aufgaben der Bundesanwaltschaft ausserdem über weite Strecken zur Exekutive beziehungsweise Verwaltung. Der Bundesanwalt hat zur Strafverfolgung die Initiative zu ergreifen. Er muss sich entscheiden, worauf er seine Kräfte konzentriert. Anders als einem Gericht werden ihm die Fälle nicht einfach vorgelegt. Er verfolgt aktiv Rechtsverstösse und hat seine Ressourcen dementsprechend einzusetzen. Welche kriminalpolitische Strategie verfolgt wird – ob der Schwerpunkt auf die Bekämpfung des Terrorismus, des organisierten Verbrechens, des internationalen Drogenhandels, der Geldwäscherei gelegt wird –, ist letztlich eine politische Frage. Im Grundsatz entscheidet darüber die Exekutive, und sie legt dazu letztlich auch die Ressourcen fest. Sie gibt gleichsam das Ziel vor. Weisungen und Zweckmässigkeitsüberlegungen sind damit dem Bundesanwalt nicht fremd. Gleichzeitig aber, und das stellt den Bundesanwalt wiederum näher zur Judikative, muss er unabhängig von jeglichen politischen Überlegungen und Einmischungen in den Einzelfall arbeiten, allein an Recht und Gesetz gebunden. Absolut unzulässig sind Eingriffe der Politik in einzelne Strafverfahren, in konkrete Ermittlungen, Untersuchungen und die Anklage. Der Bundesanwalt muss im Rahmen seiner Rechtspflegefunktion über einen weisungsfreien Raum verfügen. Dem Bundesanwalt ist hierin ähnlich wie einem Gericht Unabhängigkeit zu garantieren. Die Gefahr politischer Einflussnahme auf Strafverfahren muss gebannt werden. Faktisch steht die Bundesanwaltschaft zwischen zwei Gewalten, oder besser: In ihr sind exekutive und judikative Funktionen ineinander verschränkt. Den Bundesanwalt der exekutiven Gewalt administrativ zuzuordnen, welche Zielvorgaben und Grundzüge seiner Tätigkeit bestimmt, ist daher zweckmässig.Garantie der UnabhängigkeitDie Kantone ihrerseits haben die Aufsicht über die Staatsanwaltschaften unterschiedlich geregelt: Über ein Drittel entschied sich dafür, die Regierung beziehungsweise das Justizdepartement mit der Aufsicht zu betrauen. Knapp ein Drittel hat die Aufsicht den richterlichen Behörden übertragen. Und eine weitere Gruppe kennt die auf Exekutivbehörde und richterliche Behörden aufgeteilte Aufsicht. In einem Fall wird überdies das Kantonsparlament mit eingebunden. Die Weisungsbefugnisse der Aufsichtsorgane variieren je nach Kanton erheblich. Die verschiedenen Systeme finden sich in der deutschen wie der lateinischen Schweiz. Regionalpolitische Präferenzen sind nicht auszumachen. Ein Grundprinzip dagegen muss sich durch jedes System ziehen: die Garantie der Unabhängigkeit im Rahmen der konkreten Strafverfolgung. Die Bundesanwaltschaft ist deshalb eine mit besonderer Unabhängigkeit auszustattende Behörde. Hierin liegt ein potenzieller Konflikt mit der ihr aufsichtsrechtlich vorgesetzten Behörde. Doch dies ist auszuhalten. Die zentrale Bedeutung ihrer Unabhängigkeit für den Rechtsstaat hält auch die Empfehlung des Ministerkomitees des Europarats vom Oktober 2000 zur Rolle der Staatsanwaltschaft in der Strafgerichtsbarkeit fest. Die Art und der Umfang der Befugnisse der Regierung gegenüber der Bundesanwaltschaft müssen deshalb gesetzlich präzise festgelegt werden. Aufsicht und strikte Unabhängigkeit in der konkreten Strafverfolgung konfliktfrei miteinander zu vereinen, gleicht der Quadratur des Zirkels. Die Aufsicht dabei prinzipiell dem Gesamtbundesrat wieder zu übertragen, ist zu befürworten, wobei zum Vollzug eine Delegation an das EJPD unvermeidlich sein wird. Darüber hinaus ist ein zurückhaltender Rapport auch an das Parlament denkbar. Erreicht werden könnte dies, indem ein dem EJPD-Generalssekretariat zugeordnetes Inspektorat mit der Aufsicht betraut würde. Dieses hätte Bericht an den Justizminister und den Bundesrat zu erstatten. Ergänzend dazu und mit der nötigen Zurückhaltung wäre ferner eine Berichterstattung an die parlamentarischen Aufsichtskommissionen, Geschäftsprüfungs- und Gerichtskommission, zu überlegen.cs.