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Meinung Tote durch Abgase

Die Grünen regieren, aber die Luft wird gesundheitsschädlicher

Chefreporter Wissenschaft
Welt-Autor Axel Bojanowski Welt-Autor Axel Bojanowski
WELT-Autor Axel Bojanowski
Quelle: Martin U. K. Lengemann/WELT
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Eine neue Studie rechnet vor, dass gut 300.000 Europäer im Jahr durch Luftverschmutzung vorzeitig starben. Gleichzeitig trifft die deutsche Bundesregierung Maßnahmen, die dafür sorgen, dass die Luft hierzulande gesundheitsschädlicher wird. Ein tödlicher Irrweg.

Herzerkrankungen, Schlaganfälle, Diabetes, Lungenleiden, Asthma – Luftverschmutzung kann schwere Erkrankungen verursachen. 253.000 vorzeitige Todesfälle in Europa allein 2021 führt die EU-Umweltagentur EEA in einem neuen Bericht auf Schmutzpartikel zurück. „Die Auswirkungen der Luftverschmutzung auf unsere Gesundheit sind immer noch zu hoch“, sagte EEA-Direktorin Leena Ylä-Mononen.

In Deutschland könnten laut EEA-Studie 32.300 Todesfälle in Zusammenhang mit Feinstaub in der Luft stehen. Die feinen Partikel stammen aus Abgasen von Autos, Heizungen, Industrie, Landwirtschaft, Kraftwerken und aus anderen Quellen. Zudem führt die EEA 52.000 vorzeitige Todesfälle in Europa auf das übermäßige Einatmen von Stickstoffdioxid beziehungsweise 22.000 auf bodennahes Ozon zurück.

Ziel der EU sei es, die Zahl der Todesfälle im Zusammenhang mit Feinstaub-Belastung bis 2030 um 55 Prozent im Vergleich zum Jahr 2005 zu reduzieren, berichtet die EU-Behörde. Zwischen 2005 und 2021 sei die Zahl der Todesfälle in der EU bereits um 41 Prozent zurückgegangen. Deutschland indes droht zurückzufallen, es geht einen anderen Weg.

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Ausgerechnet das Land mit der mächtigsten grünen Bewegung hat seine Kohlekraftwerke wieder hochgefahren, was die Zahl vorzeitiger Todesfälle in die Höhe treiben dürfte. Eine neue Studie, veröffentlicht im Wissenschaftsmagazin „Science“, rechnet vor, dass Feinstaub-Emissionen aus Kohlekraftwerken noch gesundheitsschädlicher sind als angenommen. Das schließen die Forscher aus der Verknüpfung von Krankenkassendaten und Emissionsdaten von Kohlekraftwerken in den USA.

Deutschlands aktueller Umstieg von Kernkraft auf Kohle habe das Problem verschärft, hat die britische Datenwissenschaftlerin Hannah Ritchie von der Universität Oxford belegt: „Kohle ist etwa 1000-mal tödlicher als Atomkraft. Und das ist wahrscheinlich eine Unterschätzung“, sagte sie WELT. „Wenn wir die Sterberaten – also die Zahl der Todesfälle, die man pro Stromerzeugungseinheit erwarten würde – verschiedener Stromquellen vergleichen, sind Atomkraft und erneuerbare Energien um Größenordnungen niedriger als Kohle“, sagte sie.

Das staatlich geförderte Pelletöfen-Problem

Eine weitere Entwicklung verstärkt das Verschmutzungsproblem. Die hohe Abgasbelastung aus Holzöfen führe besonders im Winter zu teils bedrohlichen Feinstaubmengen in Wohngebieten, warnt Feinstaub-Experte Achim Dittler vom Karlsruher Institut für Technologie.

Das Problem ist in Deutschland staatlich gefördert, der Kauf von Pelletöfen subventioniert wegen angeblicher Klimafreundlichkeit. Selbst das Umweltbundesamt hat aber unlängst eingeräumt, dass es sich dabei um einen Fehler handelt. Doch die Energiekrise hat die Nachfrage nach den Anlagen weiter angekurbelt – und die Deutschen haben sich mit Kaminholz eingedeckt.

Messungen von Achim Dittler und seinen Kollegen haben offenbart, dass an manchen Abenden in kaminreichen Wohngebieten die Luft dreimal stärker belastet war als am berüchtigten Neckartor in Stuttgart zur Hauptverkehrszeit, jener Hauptverkehrsstraße, wo deutschlandweit regelmäßig Feinstaub-Höchstwerte gemessen werden.

Kaminbetrieb zwingt zum „Passivrauchen“

Lange hat Dittler zusammen mit Kollegen vor Holzfeuerung in Deutschland gewarnt, etwa im Gutachten der Wissenschaftsvereinigung Leopoldina 2019. Holzheizungen verursachen in Deutschland laut Umweltbundesamt mehr Feinstaub als der Straßenverkehr. Mehr als elf Millionen „Einzelraumfeuerstätten“, also Kamine und Öfen, gibt es hierzulande; zusätzlich heizen mehr als eine Million Haushalte in Deutschland mit Holz als primärer Energiequelle ihren kompletten Wohnraum.

Der Rauch der Kaminfeuer dringe in erheblicher Menge in Nachbarhäuser ein, befragte Anwohner in seinen Messgebieten hätten über Kopfschmerz und Übelkeit berichtet, berichtet Dittler. Würden neben Holz giftige Substanzen verbrannt, verschärfe sich das Problem, mahnt der Forscher – Kaminbetrieb zwinge zum „Passivrauchen“. Das Risiko wäre vielen Verbrauchern nicht klar, erklärt das Bundesinstitut für Risikobewertung.

Als Grenzwerte hat Deutschland lediglich Durchschnittsgrenzwerte festgelegt: Für die kleinen Feinstaubpartikel gilt ein Jahresmittelwert, der nicht übertroffen werden soll, für die groben zusätzlich ein Tagesdurchschnittslimit. Extremer Smog über ein paar Stunden, typisch für Holzfeuer, werden von Grenzwerten nicht erfasst. Es scheint paradox: In Deutschland regiert eine grüne Partei, aber die Luft wird gesundheitsschädlicher.