Das Leiden der Lämmer: Rabenkrähen haben vier Jungtiere in Kassel erlegt
Schäfer Hubertus Dissen hat in einer Woche vier Lämmer in Kassel verloren. Rabenkrähen haben die frisch geborenen Jungtiere getötet.
Kassel - Hubertus Dissen fuhr zuletzt stets mit einem mulmigen Gefühl zu seinen Schafen und Ziegen in die Dönche, ein Naturschutzgbiet in Kassel. Denn allein in der vergangenen Woche fand er dort vier tote Lämmer, die gerade erst geboren worden waren. Sie wurden Opfer der Rabenkrähen, die dort zu Hunderten darauf lauern, dass Mutterschafe lammen. Die noch wehrlosen Lämmer sind eine leichte Beute für die Vögel, vor allem in den ersten Stunden, wenn sie noch nicht weglaufen können.
Ich bin schon froh, wenn die Rabenkrähen das Lamm bereits getötet haben, wenn ich komme.
„Ich bin schon froh, wenn die Rabenkrähen das Lamm bereits getötet haben, wenn ich komme“, sagt der Schäfer, der aktuell 700 Schafe und 80 Ziegen in der Dönche hält. Denn es habe auch schon Fälle gegeben, wo die Vögel ein Lamm so stark verletzt hätten, dass der Schäfer es töten musste. Die Rabenkrähen hackten den Lämmern zunächst die Augen aus und machten sie somit orientierungslos. Hilfe vom Muttertier kann der Nachwuchs nicht erwarten. „Schafe sind Fluchttiere, die haben keinen Schutzinstinkt“, sagt Dissen.
Der Schäfer, der im Auftrag der Oberen Naturschutzbehörde seine Tiere gegen eine Verbuschung der Flächen in der Dönche weiden lässt, beobachtet das Verhalten der Rabenkrähen ganz genau. Es seien extrem schlaue Tiere. Diese patrouillierten die Herde ab und warteten auf die nächste Geburt. Dabei würden sie von den Schafen nicht mal als Bedrohung wahrgenommen. „Die sitzen oft auf dem Rücken der großen Schafe und warten.“ Der Geruch der Lämmer, die nach der Geburt noch blutverschmiert seien, locke sie an.
Verstorbene Lämmer in der Dönche: Vor zwei Jahren verlor der Schäfer 19 Lämmer
Vor zwei Jahren hat Dissen schon einmal 19 Lämmer in einem Jahr im Bereich der Losse im Stadtteil Wolfsanger an die Rabenkrähen verloren. Damals habe der dortige Jagdpächter mit einer Ausnahmegenehmigung zwei Rabenkrähen geschossen. „Danach war Ruhe. Die haben sich das gemerkt und kamen nicht wieder“, sagt Dissen.
In der Dönche sei es aber nicht so einfach, eine solche Ausnahmegenehmigung zu erhalten. Da es sich um ein Naturschutzgebiet handelt, gelten strengere Auflagen. Allerdings wird auch dort bereits auf Wildschweine Jagd gemacht, weil diese sich so stark vermehrt haben und in der Stadt schon große Schäden angerichtet haben – unter anderem auf Friedhöfen.
Die Dönche ist zwar städtisches Gebiet, jagdrechtlich ist aber Hessen-Forst zuständig. Britta Winterhoff, Bereichsleiterin bei Hessen-Forst, will intern klären, wie mit dem Problem umgegangen wird. Grundsätzlich sei nach Zustimmung der Oberen Naturschutzbehörde ein Abschuss mit Schrotmunition denkbar. Wegen des Publikumsverkehrs im Bereich der Dönche müsse dies aber mit besonderer Vorsicht geschehen. Denn anders als bei den Wildschweinen könnten die Rabenkrähen nur bei Tageslicht geschossen werden.
Rabenkrähen in Kassel: Schäfer fordert Jagd zum Schutz der Herde
Dissen hofft, dass möglichst rasch eine Lösung gefunden wird. Er weiß, dass es auch in der Bevölkerung viele Widerstände gegen die Jagd gebe. Aber hier sei sie notwendig. Denn der Einsatz von Herdenschutzhunden, die zur Bewachung der Herde eingesetzt werden, sei in der Dönche nicht möglich. „Hier sind zu viele Besucher mit ihren Hunden unterwegs. Da wären Konflikte vorprogrammiert.“ (Bastian Ludwig)