Wie intelligent kann ein Computer sein? Christopher Goold grinst und beißt sich auf die Zunge. Na ja, will er wohl ironisch sagen: Die Intelligenz eines Politikers schaffen wir schon. Aber dann wählt er doch eine sachliche Formulierung. Goold: "Unser Vorteil ist, dass Jackie Strike nicht wirklich inhaltsreich sprechen muss. Sie redet in der Politikersprache - mit vielen Allgemeinplätzen. Das macht es leichter."
Christopher Goold ist Chef der Jackie for President GmbH und leitet gerade von Hamburg aus eine neue Phase des Präsidentschaftswahlkampfs in den USA ein. Jackie Strike, die virtuelle Kandidatin, die den realen Politikern George Bush und Al Gore im Internet Konkurrenz machen will, soll sprechen, lachen und weinen lernen. Gestern, am Unabhängigkeitstag der USA, hat Goold erste Details seiner Pläne vorgestellt.
Die WebWelt hatte ausführlich berichtet, als Jackie Mitte April in den US-Wahlkampf eingriff. Das Projekt, halb ernst und halb satirisch gemeint, ist von deutschen Internet-Firmen erdacht worden, die damit "Guerilla-Marketing" treiben: Jackie Strike soll die Firmen in den USA kostengünstig ins Gespräch bringen. "Für kleine Unternehmen ist klassisches Marketing in Amerika unbezahlbar", sagt Lars Hinrichs, aus dessen Böttcher Hinrichs AG die Idee stammt: "PR, Mundpropaganda und ein Internet-Auftritt - das sind unsere Mittel."
Auf ihren Web-Seiten ist Jackie Strike bislang als zweidimensionale Illustration zu sehen, und was sie zu Themen des Wahlkampfs "sagt", ist nur schriftlich nachzulesen. Einzige "intelligente" Leistung der Jackie-Computer ist: Ein Programm namens "Phrasendrescher" mischt aus Reden von Bush und Gore und aus Jackies Grundsatzprogramm satzweise neue Statements zusammen - die bewusst die Politikersprache karikieren. Zitat: "Wir brauchen entschlossene, innovative Entscheidungen, um das System sozialer Sicherheit zu retten und den Traum eines sicheren Lebensabends, der für Millionen Amerikaner noch unerreichbar ist, wahr werden zu lassen."
Der "Phrasendrescher" stammt aus dem Bundestagswahlkampf 1998, ist also Technik von gestern und dient nur als erste Phase des Jackie-Projekts. Teams in Hamburg und Köln arbeiten derzeit an der Technik für die zweite Phase, die Ende Juli ins Netz gehen soll. Dann soll Jackie auf dem Bildschirm eine dreidimensional bewegliche Figur sein, die mit dem Nutzer spricht, auf Fragen antwortet (mit menschlicher Stimme per Sprachausgabe), dabei lacht oder die Stirn runzelt. Kurz: Sie wird agieren wie die Kunstfigur Robert T-Online aus der Telekom-Werbung - aber in Echtzeit übers Internet.
Dazu dient eine neue Software von NoDNA aus Köln, einer Spezialagentur für virtuelle Charaktere. Wer von August an die "lebende" Jackie auf ihrer Website sehen will, dem übermittelt NoDNA ein Plug-in-Programm (knapp ein Megabyte groß). Es enthält unter anderem ein Datenmodell des Oberkörpers von Jackie Strike und eine Bibliothek von Bewegungen, die er ausführen kann.
Wer mit Jackie chatten will, tippt seine Sätze mit der Tastatur ein. Beispiel: "Du bist ja gar nicht echt!" Angenommen, Jackie soll mit süffisantem Lächeln und der Frage: "So? Meinst du?" antworten. Dann ist das süffisante Lächeln vielleicht als "Lächeln 10" hinterlegt, und per Internet kommt nur der Steuerbefehl "jetzt Lächeln 10". Das erlaubt schnelle Live-Animation auch bei langsamer Datenübertragung.
Wie aber kann Jackie Fragen verstehen und passende Antworten formulieren? Dazu nutzt sie die Software "Lingubot" von Kiwilogic aus Hamburg. Sie kann zwar mehr als der "Phrasendrescher", aber intelligent ist sie auch nicht. Für jeden virtuellen Charakter muss ein Team von Textern mögliche Fragen vorempfinden und mit mehreren Tausend Antwortsätzen verknüpfen, aus denen Lingubot später "auswählt". Jedem Satzteil wird eine Bewegung ("Lächeln 10") zugeordnet, den Steuerbefehl übernimmt die NoDNA-Software.
Was das soll, ist leicht zu erklären. Wer auf einer Website von Amazon oder BMW nach Service und Produkten fragt, soll in der Zukunft des Internet nicht schriftliche Daten mühsam suchen müssen. Er soll mit einer Maschine sprechen, die ein Gesicht hat und per Lautsprecher sagt: "Ja, den Wagen gibt es in Metallicblau, aber dann hat er vier Wochen Lieferzeit." Diese Vision soll Jackie vorantreiben.
Spannender freilich ist die Frage: Wann wird ein Computer Sätze wirklich verstehen und mit Aussagen antworten können, die kein Texter vorempfunden hat? "Hoffentlich nie", sagt Karl-Ludwig von Wendt, Chef der Kiwilogic AG, und erläutert das so: "Für wirkliche Intelligenz müssten wir die Struktur des menschlichen Gehirns nachbilden können, und das bleibt vorerst Utopie. Aber das ist mir auch lieber so. Denn bei unserem Stand der Technik haben wir die Kontrolle darüber, was die Maschine sagt."