Am Mittwoch redete Wirtschaftsminister Robert Habeck nicht drumherum: Wenn die Energiewende funktionieren soll, braucht der Klimaschutzminister nicht nur mehr Wind- und Solarkraftanlagen, sondern vor allem eines: mehr Flexibilität bei den Verbrauchern.
Die sollen möglichst dann Strom verbrauchen, wenn die Sonne scheint, der Wind weht – und der Strom entsprechend günstig ist. Doch bislang fehlen dafür nicht nur die entsprechenden Anreize, sondern vor allem die Technologie, um solche variablen Tarife und Nutzungen überhaupt möglich zu machen.
„Wir haben ja nicht zu viel Strom in Deutschland“, sagte Habeck deshalb am Mittwoch, „und wir werden ihn auch so schnell nicht haben“. Deshalb müsse man sicherstellen, dass die vorhandene Energie in Zukunft effizienter genutzt werde.
Das Bundeskabinett hat dafür nun einen Gesetzentwurf auf den Weg gebracht, der den klangvollen Namen „Gesetz zum Neustart der Digitalisierung der Energiewende“ (GNEDW) trägt. Dahinter verbirgt sich vor allem eines: Der Versuch, in Deutschland endlich dafür zu sorgen, dass flächendeckend solche intelligenten Stromzähler verbaut werden.
Was in anderen Ländern seit Jahren längst die Norm ist, war in Deutschland bislang quasi nicht möglich. Man stritt über technische Standards, es gab hohe, kaum nachvollziehbare Zulassungshürden für die Geräte, die dann auch nur in Spezialboxen an die Handwerker verschickt werden durften, die sie einbauen sollten. Das alles wirkt eher wie der ziemlich ausgeklügelte Versuch, die Verbreitung der intelligenten Zähler zu verhindern.
Habeck sagt zwar, er wolle nicht gegen die alte Regierung nachtreten, die die bisherigen Regelungen zu verantworten hat, doch die Fortschritte seien „zu klein, zu langsam und zu spät“. Deshalb brauche man nun einen Neustart. Das Gesetz soll einen verbindlichen Fahrplan für die Verbreitung der intelligenten Zähler festschreiben, die dann nach und nach die alten Drehstromzähler ersetzen sollen.
Ab 2025 soll der Einbau für die ersten Verbraucher verpflichtend sein
Schnell wird auch der Neustart nicht gelingen. Der Fahrplan sieht insbesondere für große Verbraucher von mehr als 100.000 Kilowattstunden Strom vor, dass erst bis Ende 2032 wenigstens 95 Prozent mit Smart Metern ausgestattet sein müssen. Schneller soll es bei den kleinen und mittleren Verbrauchern gehen.
Ab 2025 soll der Einbau bei Verbrauchern verpflichtend sein, die zwischen 6000 und 100.000 Kilowattstunden benötigen. Bis Ende 2030 sollen auch hier 95 Prozent der Verbraucher versorgt sein.
Doch gerade kleinere Haushalte liegen häufig deutlich unter einem Jahresverbrauch von 6000 Kilowattstunden. Bei ihnen soll der Einbau eines intelligenten Zählers auch weiterhin nicht verpflichtend, sondern möglich sein. Allerdings sollen auch diese Haushalte das Recht bekommen, bei ihrem Versorger den Einbau eines solchen Zählers zu verlangen, der ihn dann innerhalb von vier Monaten einbauen muss.
Finanzielle Nachteile haben die Haushalte laut dem Gesetzentwurf nicht zu befürchten, da die Preise für die Bereitstellung der Geräte bei 20 Euro gedeckelt werden soll, das entspricht dem Betrag, der auch für einen modernen Drehstromzähler fällig würde. 2025 soll der Preis überprüft werden. Die finanzielle Mehrbelastung sollen entsprechend die Versorger tragen.
Einen finanziellen Nutzen können Verbraucher allerdings auch nur dann aus den intelligenten Zählern ziehen, wenn sie auch über einen Tarif mit variablen Preisen verfügen, wenn der Strom also in den Zeiten billiger ist, in denen viel Energie verfügbar und daher günstig ist. Bislang sind nur große Anbieter mit mehr als 100.000 Kunden verpflichtet, solche Tarife anzubieten, ab 2025 müssen alle Versorger einen solchen Tarif im Angebot haben – auch die oft deutlich kleineren Stadtwerke.
Per App kann man dann minutengenau nachschauen, wie teuer der Strom gerade ist, und dann das Elektroauto in dieser Zeit laden oder genau dann den Trockner laufen lassen. Einige Start-ups aus dem Energiebereich wie Tibber oder Ostrom setzen auf Geschäftsmodelle, bei denen die Kunden immer genau den Börsenpreis für Strom zahlen müssen – in Deutschland scheitert das aber häufig noch an der fehlenden intelligenten Messtechnik.
Kritik am geplanten Gesetz kommt allerdings aus der Energiebranche selbst. Zwar seien die Versorger durchaus bereit, die Verbreitung von intelligenten Zählern weiter voranzutreiben, teilte die Chefin des Bundesverbandes Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW), Kerstin Andreae mit. „Wichtig dafür ist aber ein schlüssiges Gesamtkonzept, dass den Rollout dort voranbringt, wo er am wichtigsten ist“, sagte sie. „Der heute vom Bundeskabinett verabschiedete Gesetzentwurf wird diesem Ziel leider nicht gerecht.“
Die Branche stört vor allem das Recht der Kunden auf den Wunsch, schnell einen solchen Smart Meter eingebaut zu bekommen. „Aus Sicht der Energiewirtschaft ist das in der Hochlaufphase ineffizient, weil alle Kundenwünsche vorzuziehen wären, unabhängig von ihrem Nutzen für das Gesamtsystem“, so Andreae. „Auch die Chance zu einer deutlichen Vereinfachung des Messstellenbetriebs durch eine Modernisierung der eichrechtlichen Vorschriften wird – anders als angekündigt – verpasst.“
Laut dem Digitalbranchen-Verband Bitkom stehen die deutschen Verbraucher flexiblen Stromtarifen deutlich positiver gegenüber. 88 Prozent hätten in einer Befragung angegeben, dass sie gern auf einen Blick wüssten, wie hoch ihr persönlicher Verbrauch gerade ist und wo sich explizit sparen lässt, so der Verband.
Datenschutzbedenken und Sorgen wegen möglicher Cyberangriffe auf die vernetzte Strominfrastruktur versuchte Habeck am Mittwoch zu zerstreuen. Der Datenschutz werde eher noch strenger, die Sicherheit der Technik weiter überprüft, „sodass alle Sorgen, die Bürgerinnen und Bürger haben können, genommen werden können“, behauptete der Minister.
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