Deutschland will erklärtermaßen „Leitmarkt“ und „Technologieführer“ im Klimaschutz werden, doch das Bundesministerium für Wirtschaft und Klima (BMWK) verteilt Forschungsgelder weitgehend ohne jede Erfolgskontrolle. Das Ministerium habe „Fördermittel von mehreren hundert Millionen Euro jährlich im Blindflug eingesetzt“, kritisiert der Bundesrechnungshof in seinen „Bemerkungen zur Energieforschung“, die am Dienstag dem Bundestag zugeleitet wurden.
Der Bundesrechnungshof untersuchte, wie das inzwischen von Robert Habeck (Grüne) geleitete Ministerium auch unter der Leitung seines Vorgängers Peter Altmaier (CDU) seine Forschungsförderung steuert, um bestmöglich zu den Zielen der Energiewende beizutragen.
Dass es jedoch eine „Steuerung“ gegeben hat oder jetzt gibt, scheint laut Bundesrechnungshof fraglich. So ließ sich das BMWK bislang bei drei Prozent der Projekte von den Geldempfängern nach Abschluss der Förderung berichten, ob und inwieweit die Forschungsergebnisse wie geplant verwertet werden konnten.
Trotzdem glaubt das Ministerium schätzen zu können, dass bei einem Drittel der Projekte die Ergebnisse „innerhalb von zwei bis fünf Jahren nach Projektende in eine wirtschaftliche Umsetzung einfließen“.
Vor dem Hintergrund der historischen Herausforderung einer vollständigen Transformation der Energieversorgung wächst der Forschung eine herausgehobene Bedeutung zu. Seit der Verabschiedung des 7. Energieforschungsprogramms der Bundesregierung im September 2018 mit dem Titel „Innovationen für die Energiewende“ gab das Wirtschaftsministerium „mit steigender Tendenz bis zu 500 Millionen Euro pro Jahr aus“, berichtet der Rechnungshof.
„In der mittelfristigen Finanzplanung der Bundesregierung sind für das BMWK allein in den Titeln „Energieforschung“ und „Reallabore für die Energiewende“ bis zum Jahr 2025 bis zu 700 Millionen Euro jährlich vorgesehen.
Hauptsache Geld ausgegeben
Doch die Bundesregierung hat keinen Überblick darüber, ob und inwieweit die Gelder die Energiewende auch wirklich voranbringen. „Obwohl ausschließlich marktreife Ergebnisse einen Beitrag zur Energiewende leisten können, hat das BMWK für die Forschungsprojekte weder zum Beginn noch zum Ende der Förderung den Technologiereifegrad bestimmt“, kritisieren die Rechnungsprüfer.
Dem Ministerium genügte es meistens zu sehen, dass das bereitgestellte Geld irgendwann weg war. Die Kritik des Bundesrechnungshofes fällt deshalb scharf aus: „Das BMWK hat die Energieforschung letztlich nur über die Ausgaben gesteuert“, heißt es in seinen Bemerkungen: „Es hat es schon als Erfolg gewertet, wenn die geplanten Ausgaben weiter gestiegen und die vorhandenen Gelder vollständig ausgegeben worden sind.“
So gehe es nicht, belehren die Rechnungsprüfer das Ministerium: „Eine vollständige Ausgabe der eingeplanten Haushaltsmittel bedeutet nicht automatisch einen Erfolg für die Energiewende.“
In einer Stellungnahme verteidigte das Bundeswirtschaftsministerium die Praxis der Mittelvergabe: Es sei ja nicht möglich, Forschungsergebnisse vorauszusagen. Dies bedeute jedoch nicht, dass die Forschungsförderung weitgehend wirkungslos sei. Schließlich sei jede Forschung mit dem Risiko behaftet, dass die Ergebnisse nicht wie erwartet oder nur in geringerem Maße als erwartet eintreten.
Das Ministerium macht auch geltend, dass es nicht verlässlich möglich sei, „einen heute beobachteten Zustand eindeutig als eingetretene Wirkung aus einem Forschungsprojekt der Vergangenheit nachzuweisen“, zitieren die Rechnungsprüfer aus der Stellungnahme des Habeck-Hauses: Forschung habe aber trotzdem einen Einfluss auf die Entstehung von technischen Innovationen.
Im Übrigen würde man von den Unternehmen ja gerne erfahren, wie die Forschungsförderung des Bundes jeweils zur Entwicklung des Umsatzes beiträgt. Dies zu erfahren sei jedoch schwierig, so das Wirtschaftsministerium, weil es sich „um schützenswerte Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse“ handele.
Förderung ohne Wirkung befürchtet
Der Bundesrechnungshof hält diese Rechtfertigung des Bundeswirtschaftsministeriums für nicht stichhaltig. Die Prüfer sehen „weiterhin die Gefahr, dass die Forschungsförderung von jährlich 500 Millionen Euro für die Energiewende weitgehend wirkungslos bleibt.“
Der „geringe Erfolg der Förderung“ lasse sich eben nicht allein damit erklären, dass Forschungsergebnisse unvorhersehbar sind und ein Erfolg nicht garantiert werden kann. Der Rechnungshof empfiehlt daher, die Förderung des Bundes nach der Technologiereife des jeweiligen Projektes auszurichten.
Damit könne das Ministerium „wesentlich zuverlässiger beurteilen, wann Forschungsergebnisse wirtschaftlich verwertet werden können.“ So empfiehlt der Bundesrechnungshof, das Ministerium solle „seine Forschungsgelder zielgerichtet auf Projekte mit einem hohen Technologiereifegrad lenken und so den Anteil marktreifer Ergebnisse erhöhen.“
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