Abo
Wirtschaft Schneider Electric

„Atomkraft darf nicht verdammt werden“

Wirtschaftskorrespondent
Die Europa-Chefin von Schneider Electric Barbara Frei spricht sich für Atomkraft aus

Die Europachefin von Schneider Electric Barbara Frei spricht sich für Atomkraft aus

Quelle: Schneider Electric

Nur wenige kennen Schneider Electric, dabei ist der Konzern ein Hauptkonkurrent von Siemens. Europachefin Barbara Frei setzt voll auf Klimaschutz. Dafür dürfe man die Atomkraft nicht abschaffen, fordert sie. Und es gibt noch einen entscheidenden Hebel.

Schneider Electric ist ein Industrieschwergewicht – und Siemens-Konkurrent: Über 27 Milliarden Euro hat der Elektrotechnikkonzern mit Sitz in Rueil-Malmaison bei Paris im Jahr 2019 erwirtschaftet. Trotz seiner Größe kennen viele Deutsche den Hersteller von Automatisierungstechnik, Energieverteilungssystemen, Gebäudekommunikation und elektronischer Antriebstechnik mit über 135.000 Mitarbeitern nicht. In Deutschland wird das Unternehmen oftmals mit einem Aufzughersteller oder einer alten Hi-Fi-Marke verwechselt, berichtet Europachefin Barbara Frei. Dabei geht es im Konzern um die großen Themen: Digitalisierung, Klimaschutz und Energieverschwendung.

WELT: Frau Frei, Sie sind die Europachefin eines Weltkonzerns. Warum sind weder Sie noch das Unternehmen besonders bekannt?

Barbara Frei: Ich finde das gar nicht so schlecht, abseits von Schlagzeilen und der öffentlichen Wahrnehmung zu stehen. Das macht die tägliche Arbeit oftmals leichter. Wobei wir so unbekannt dann doch nicht sind, zumindest abseits der breiten Masse. Fragen Sie mal nach in den Branchen, in denen wir tätig sind: Da dürften wir Konkurrenten wie Siemens oder ABB in nichts nachstehen. Sonst hätten wir auch sicherlich nicht so stark wachsen können. In den vergangenen zehn Jahren hat sich unser Umsatz nahezu verdoppelt.

WELT: Der Großteil dieses Wachstums stammt von Akquisitionen.

Frei: Was ja vollkommen legitim ist. Wir handeln nach der Maxime Buy & Build und haben dabei eine klare Vision, wie und womit das Unternehmen wachsen soll: Der Fokus liegt auf den Bereichen Konnektivität, Vernetzung und Digitalisierung, aber auch auf Energieverteilung und Klimatisierung. Im Mittelpunkt stehen dabei immer die vier Kompetenzfelder Industrie, Infrastruktur, Gebäude und Rechenzentren.

WELT: Wir rund ist ihr Portfolio mittlerweile?

Frei: Stand jetzt sind wir ziemlich komplett. Aber die Welt ändert sich rasend schnell, es kann also immer wieder neuer Bedarf entstehen. Darauf werden wir dann reagieren – übrigens auch in der Krise. In Deutschland zum Beispiel haben wir zuletzt RIB Software übernommen, einen Anbieter von Bausoftware. Identifiziert werden Chancen und Möglichkeiten direkt in den Regionen. Denn Schneider Electric ist dezentral aufgestellt, übrigens bis hin zum Vorstand. Die Führungsmannschaft ist weltweit verstreut.

Lesen Sie auch
Klimawandel und die Folgen

WELT: Wo denn?

Frei: Der Vorstandschef hat seinen Sitz in Hongkong, das übrige Topmanagement sitzt zum Beispiel in den USA, in China, am Hauptsitz in Frankreich und in meinem Fall in Zürich in der Schweiz. Wobei ich auch sehr oft in Deutschland bin. Die Philosophie dahinter lautet: Wer in lokalen Märkten etwas erreichen will, muss dort auch Präsenz zeigen. Und das nicht nur mit einer kleinen Niederlassung. Der Austausch mit dem Vorstand findet dann vorwiegend per Telefon- und Videokonferenz statt. Diese ohnehin geübte Praxis hilft uns derzeit auch in der Corona-Pandemie. Und da arbeite ich tatsächlich oft von zu Hause. Vorher bin ich viel gereist, vor allem zu unseren Standorten in ganz Europa. Nun ist meine Reisezeit von 80 auf vielleicht noch 20 Prozent eingebrochen.

WELT: Wie kommt Schneider Electric bislang durch die Krise?

Frei: Wir behaupten uns gut, sogar besser als erwartet. Nach den Zahlen zum dritten Quartal haben wir daher den Ausblick für 2020 erhöht und rechnen nur noch mit einem Minus von fünf bis sieben Prozent statt mit einem zweistelligen Rückgang. Hintergrund ist vor allem die Erholung im asiatischen Markt, aber auch Europa hat wieder angezogen. Abzuwarten bleibt aber noch, welche Auswirkungen der neuerliche Lockdown in vielen Ländern haben wird. Die Lage ist und bleibt fragil und sprunghaft.

WELT: Was macht Sie dennoch zuversichtlich?

Frei: Corona bringt, bei aller Tragik der Pandemie selbst, noch mal einen Schub beim Thema Digitalisierung. Aber das kann in Zukunft für teils enorme Fortschritte in vielen Arbeits- und Lebensbereichen sorgen – wenn wir lernen, damit entsprechend umzugehen. Durch die Auswertung von Daten sind in kurzer Zeit Fortschritte und Verbesserungen möglich, für die früher viele Jahren vergehen mussten. Digitalisierung kann zum Beispiel helfen, den Klimawandel zu bekämpfen.

WELT: Wie denn?

Frei: Alle reden über Elektroautos und den Flugverkehr, um das Klima zu schützen. Fakt ist aber: Das größte Einsparpotenzial haben Gebäude. 80 Prozent der Energie, die unnötig verbraucht wird, lässt sich in Häusern, Hallen, Rechenzentren und Co. einsparen. Dort werden massenhaft Ressourcen verschwendet. Gebäude sind daher der große Hebel, um den Klimaschutz voranzubringen. Und das ist möglich: Sensortechnik und Gebäudemanagementsysteme können Heizung, Kühlsysteme, Klimaanlage, Licht und auch die Strom- und Energieverteilung so steuern, dass Verbräuche minimiert werden. Unsere Techniker haben errechnet, dass bis zum Jahr 2040 rund 50 Prozent der globalen CO2-Emissionen eliminiert werden können, wenn digital unterstützte Energiesparmaßnahmen in der Hälfte der bestehenden Gebäude umgesetzt werden. Energieeffizienz ist also die mit Abstand beste Energiequelle.

WELT: Die Erkenntnis ist nicht neu. Warum tut sich trotzdem so wenig in diesem Bereich?

Frei: Ich kann es mir nur damit erklären, dass es in der Vergangenheit mühsam war, notwendige Daten zu sammeln und auszuwerten. Und dass gleichzeitig die Kosten zu hoch waren und notwendige Übertragungsraten zu klein. Heute dagegen ist Speicher billig, Verbindungen sind schnell, Übertragungsprotokolle standardisiert. Gebäudeenergiemanagement, beispielsweise auch Smart Home, kann also zum Leben erweckt werden. Außerdem gibt es dafür mittlerweile so viele Produkte und Anwendungen, dass es ein Kinderspiel ist, ein Gebäude effektiv zu managen. Damit liefern die Digitalisierung und die dadurch gewonnen Daten handfeste Beweise und es entsteht Handlungsdruck: Wer sich dem Thema jetzt noch versperrt, hat in zehn Jahren ein Problem. Dann werden Käufer und Mieter nicht mehr wie heute jeden Gebäudestatus akzeptieren. Und auch die Politik wacht endlich auf. Wohl auch durch den Druck der Jugend, die wieder kritischer und politischer geworden ist. Greta Thunberg und die Fridays-for-Future-Bewegung haben da in meinen Augen durchaus einen Anteil. Corona drängt das Thema zwar in den Hintergrund, aber vergessen ist es trotz der aktuellen Lage Gott sei Dank nicht. Man hat offenbar begriffen, dass wir zusammen etwas erreichen müssen und dabei keine Zeit mehr zu verlieren haben.

Lesen Sie auch

WELT: Sie spielen auf den Green Deal der Europäischen Union an. Wie bewerten Sie diese Initiative?

Frei: Europa geht damit voran. Und das gemeinschaftlich. Das ist der richtige Ansatz. Denn ein einzelnes Land kann kaum etwas bewegen. Die EU als Gemeinschaft aber hat Gewicht und kann eine Vorbildfunktion haben. Nachhaltigkeit ist ein Gedanke, den wir den nachfolgenden Generationen schuldig sind. Dafür ist es aber wichtig, Ideologie aus dem Thema rauszuhalten. Es gilt danach zu handeln, was nötig und möglich ist.

WELT: Was meinen Sie damit konkret?

Frei: Dass wir nicht von jetzt auf gleich alle etablierten Stromquellen abstellen können. Erneuerbare Energien sind unzweifelhaft der Weg der Zukunft – aktuell aber noch nicht leistungsfähig genug für alle. Wir werden daher auf absehbare Zeit auch weiterhin Atomkraft brauchen. Diese Alternative darf nicht grundsätzlich verdammt, sondern muss weiterentwickelt werden. Auch das ist Teil der Wahrheit bei der Klimarettung.

Lesen Sie auch

WELT: Wie sind Sie eigentlich in die Energie- und Elektrotechnikwelt gekommen? Trotz allen Werbens ist die Zahl der Frauen in diesen Branchen noch immer vergleichsweise gering.

Frei: Wir hatten in der Schule mal ein Energieeffizienzprojekt, seither bin ich fasziniert von dieser Thematik. Aber offenbar nur als eine von sehr wenigen Frauen: Im Studium waren wir lediglich vier Frauen unter 200 Studenten. Und heute sieht es noch immer nicht viel besser aus. Das darf sich gerne ändern.

CDU prüft offenbar Rückkehr zur Atomkraft

Die CDU will eine mögliche Rückkehr zur Atomkraft prüfen. Das berichtet das Nachrichtenmagazin „Spiegel“ unter Berufung auf ein Positionspapier des Bundesfachausschusses Wirtschaft, Arbeitsplätze und Steuern.

Quelle: WELT

Mehr anzeigen
Anzahl der Kommentare

47 Kommentare

Der Atomausstieg war eine überhastete Überreaktion auf ein Ereignis auf der anderen Seite des Globus, die ich bis heute nicht nachvollziehen kann. In DE stehen mit die modernsten und sichersten AKW. Natürlich kann man da Blöcke vom Netz nehmen. Aber doch nicht alle. Die Energiewende ist ein einziges Desaster. Warum? Weil man zuerst die Infrastruktur baut und dann erst die Erzeuger. Dazu kommen ja noch die hohen Belastungen durch die Entschädigungszahlungen für die Annulierung der Laufzeitverlängerungen, die (sic) erst kurz vorher genehmigt wurden. Absolute Katastrophe.
Natürlich müssen wir wieder zurück zu modernen Kernkraftwerken (der IV. oder bald V. Generation). Der Ausstieg aus der Kernenergie ist einer der krassesten und für alle Deutschen teuersten Fehler der Kanzlerin, dort muss ab diesem Jahr massiv umgesteuert werden, sonst geht unser Land wirklich langsam zugrunde.
Das Thema CO2 wurde ebenso wie das Thema Atom auf die Ebene einer Ersatzreligion gehoben. Ergo erübrigt sich jede Diskussion. Man sollte sich gespannt an den Spielfeldrand stellen und dem bunten Treiben derer mit infantil reinem Gewissen zusehen. Spannend ist es allemal... Ich kenne Menschen, die studierten Kernkraftwerkstechnik. Die sind längst alle weg und leben nun in deutlich zurückgebliebenen Ländern wie Schweden, USA und Frankreich, in denen man noch dem Glauben nachhängt, am anderen Ende der Steckdose müssten grundlasttaugliche Kraftwerke stehen. Die können eben noch nicht den Strom im Netz speichern, weil es an Kobolden mangelt.
Persönlich halt ich die ideologische und unwissenschaftliche Motivation, die in Deutschland zum Atomausstieg führen soll, für falsch. Dies gilt auch für unsere modernsten Kohlekraftwerke. Atomstrom ist umweltfreundlich, effizient und günstig zu produzieren. Natürlich ist die Endlagerung der Brennstäbe ein Problem. Hier ist Weitsichtigkeit und das Ablegen regionaler Eigeninteressen gefragt. Man denke an geeignete Endlager. Wir sind weder von Überflutung, Vulkanen, schwersten Stürmen und Erdbeben bedroht. Alles Naturereignisse, die man natürlich berücksichtigen muss. Da wir diese Probleme in unsere Breitengraden nicht haben, in Kombination mit fortschrittlichster Technik-deutsche Atomkraftwerke, zumindest die neueren, sind die sichersten, modernsten und effizientesten, bin ich für einen Rücktritt vom Rücktritt. Auch Neubauten sollten in Erwägung gezogen werden. Dies würde den Strom auch deutlich günstiger machen. Des Weiteren wäre es ehrlicher. Aktuell bezieht Deutschland Atomstrom aus z.B Belgien und Frankreich. Gerade Atomkraftwerke wie in Doel und Tihange, sind störanfällig und veraltet. Diese Kraftwerke sind eine tatsächlich Gefahr. Dann lieber eine solide und saubere Stromerzeugung aus Eigenproduktion. Dies macht uns auch autark. Ideologie ist nie ein guter Ratgeber. Egal in welchem Bereichen des Lebens.
Kernkraft bitte, nicht Atomkraft ! Und man dürfe diese nicht abschaffen, fordert Frau Frei. Diese Forderung kann man nur unterstützen. Schließlich würde ohne Kernkraft alles auseinanderfliegen, bzw. es gäbe dann gar keine Atome und das wäre für alle Beteiligten dann richtig übel ! Ich gebe die Hoffnung nicht auf, dass selbst die Grünen das irgendwann begreifen werden: "Bitte schafft die Kernkraft nicht ab !!"
Es wird schattig in Deutschland mit hunderttausenden Windrädern: Pro Jahr verbraucht der deutsche Verkehrssektor etwa 770 TWh an Energie. Rund dreimal so viel Energie müsste man aufwenden, um den grünen Wasserstoff zu produzieren und zu verteilen, der PKWs, LKWs oder Busse zum Laufen bringt, nicht zu vergessen Schiffe und Flugzeuge. Das wären über 2.200 TWh pro Jahr, viermal mehr als die deutsche Stromerzeugung. Da braucht man etwa eine Viertel Million Windräder, die für etliche tausend Elektrolyseure grünen Strom liefern müssten. Von Sylt im Norden bis zu den Schwarzwaldhöhen im Süden wäre Deutschland mit Windturbinen vollgestellt.
Wir werden daher auf absehbare Zeit auch weiterhin Atomkraft brauchen. Diese Alternative darf nicht grundsätzlich verdammt, sondern muss weiterentwickelt werden. Auch das ist Teil der Wahrheit bei der Klimarettung. Diese beiden Sätze offenbaren den grundsätzlichen politischen Fehler, den die deutsche Politik in das Kernkraft-Ausstiegsgesetz gegossen hat. Es geht nicht um eine realistische Variante der CO2 Reduzierung, sondern um Klimaideologie. Ehrliche und konsequente deutsche Politik wäre es gewesen, wenn der Import ideologisch belasteter Energie aus benachbarten Ländern gleich mit verboten wäre. So kommt nur der Verdacht auf: Deutsche Energiepolitik ist das Strebervorbild, die notwendige Drecksarbeit sollen andere machen.
Was die sogenannte Energiewende angerichtet hat kann jeder, der es will sehen, wenn er seine Stromrechnung betrachtet. Die Abwendung von der Kernenergie, war der skandalöseste Fehler der Physikerin A. Merkel, fanatisch unterstützt von den Grünen. Es war ein Schritt in Richtung Mittelalter.Es war ein Schritt, der die Ausschöpfung des Potentials der Kernenergie,auschloß. Es war ein Irrweg, der wahnsinnig hohe Kosten durch den Aufbau der erneuerbaren Energien verursacht und den möglichen Übergang zu Zukunftstechnologien, wie der Kernfusion erschwert.
"Fun" Fact: Am 8. Januar 2021 ist Europa wieder einmal knapp an einem flächendeckenden Blackout vorbei geschrammt. In den deutschen Medien wurde darüber aber kaum berichtet. Aber klar, der Strom kommt aus der Steckdose und Flatterstrom ist super. Da stören solche negativen Nachrichten ja nur.
„Wir werden daher auf absehbare Zeit auch weiterhin Atomkraft brauchen. Diese Alternative darf nicht grundsätzlich verdammt, sondern muss weiterentwickelt werden. Auch das ist Teil der Wahrheit bei der Klimarettung." Mutige und m.E. richtige Aussage. Diese scheinen sich die genannten Konkurrenten mit Haupsitz in Deutschland nicht trauen....