Die demokratischen Werte einzelner Staaten werden immer häufiger durch einen global und rücksichtslos agierenden Kapitalismus konterkariert. Welche Maßnahmen würde Robert Habeck ergreifen, wenn er Regierungsverantwortung erteilt bekäme?
Kapitalismus - die bestmögliche Staatsform?
Als der Ostblock zusammenbrach, verkündete der Philosoph Francis Fukuyama das "Ende der Geschichte". Der Kapitalismus, gepaart mit einer rechtsstaatlichen Demokratie, war für ihn nicht nur der Sieger im Kalten Krieg, sondern die optimale und endgültige Staatsform. Heute ist klar, dass es ein Ende der Geschichte nie gegeben hat - und an die friedliche Koexistenz von Kapitalismus und aufgeklärter Demokratie glauben auch immer weniger Menschen.
Ob Bankenrettung, Steuerflucht oder Lohndumping - meist gewinnt der Spekulant und selten der Bürger. Die Angst vor massenhafter Migration und Überfremdung tut ein Übriges, das Vertrauen, das Zusammengehörigkeitsgefühl und das Gefühl der Teilhabe zu untergraben, welche eine intakte Demokratie ausmachen.
Willkür gegen eine intakte Demokratie
Immer mehr Menschen gelangen zu der Überzeugung, dass autoritäre Staaten wie China doch so viel effizienter auf die Herausforderungen der Zukunft reagieren. Um energisch und gewinnbringend auf die Globalisierung zu reagieren, brauche es angeblich nicht die bewusst langsamen weil vorsichtigen demokratischen Prozesse, sondern rigorose Durchsetzungskraft, Abschottung und die ungeteilte Macht im Staat.
In Europa, dort, wo es die Demokratie nach vielen Mühen geschafft hat, sich auch über Landesgrenzen hinweg zu verflechten, droht sie gegenwärtig wieder auseinanderzubrechen. Ob Großbritannien, Ungarn, Polen oder Italien - es grassiert die Flucht in den Alleingang, und es gibt kaum noch den Glauben an globale Solidarität und ein faires Miteinander. Hat der Kapitalismus mehr auf die Demokratie abgefärbt als umgekehrt?
Auch die Digital-Konzerne aus dem Silicon Valley spielen längst nach eigenen Regeln. Ihre Produkte müssen nicht nur weniger Sinn als Profit machen, sie dienen in erster Linie auch nur dazu, dem freien Bürger sein Ureigenes abzujagen: seine Daten.
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Robert Habeck ist Schriftsteller und seit Januar 2018 einer der beiden Bundesvorsitzenden von Bündnis 90/Die Grünen.
Robert Habeck wurde am 2. September 1969 in Lübeck geboren und machte 1996 seinen Magister in Philosophie, Germanistik und Philologie an der Uni Hamburg. 2000 folgte die Promotion zum Doktor der Philosophie.
2002 trat Robert Habeck dem Bündnis 90/Die Grünen bei und wurde 2004 Landesvorsitzender in Schleswig-Holstein. Nach der Landtagswahl 2012 wurde er zum stellvertretenden Ministerpräsidenten und zum Minister für Energiewende, Landwirtschaft und Umwelt ernannt. Diesen Posten behielt er auch 2017 in der Jamaika-Koalition von Ministerpräsident Daniel Günther (CDU). Im Sommer 2018 schied Robert Habeck gemäß den Parteistatuten aus dem Ministeramt aus.
Bei seiner Bewerbung als Spitzenkandidat für die Bundestagswahl 2017 unterlag er Cem Özdemir nur um ein paar Zehntel Prozentpunkte. Im Januar diesen Jahres wurde er dann gemeinsam mit Annalena Baerbock zum Bundesvorsitzenden gewählt.
Als Politiker der Grünen setzt Robert Habeck sich vor allem für Tier- und Umweltschutz ein (Tierhaltung, Ölverklappung, Atommüll), beschäftigt sich aber auch mit den Herausforderungen der Digitalisierung.
In seinen beiden jüngsten Publikationen, "Wer wagt, beginnt" (Kiepenheuer & Witsch 2016) und "Wer wir sein könnten" (Kiepenheuer & Witsch 2018), reflektiert er seine Erfahrungen als Politiker und entwickelt eigene ethische Richtlinien für das politische Arbeiten.Bildquelle: ZDF/Juliane Eirich
Literaturtipps von Richard David Precht
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Warum unsere Demokratie eine offene und vielfältige Sprache braucht
Kiepenheuer & Witsch 2018
Sprache hat in der Politik oft mehr Einfluss als Fakten, Analysen oder Logik. Kein Wunder also, wenn besonders die aggressiven Agitatoren unserer gegenwärtigen politischen Landschaft zu manipulativen sprachlichen Mitteln greifen. Wie totalitär oder wie offen ist unsere Sprachkultur heute, fragt sich Habeck. Und in wie weit ist unsere Sprache auch Teil unseres demokratischen Verständnisses? Ist es möglich, dem politischen Brüllen und Niedermachen eine andere, verbindende Sprachkultur entgegenzusetzen, die einen konstruktiven gesellschaftlichen Dialog über die drängenden Probleme unserer Zeit in Gang setzt? -
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