Die Abschiebung einer tschetschenischen Familie aus Brandeburg zurück in ihre Heimat ist am vergangenen Freitag weitgehend gescheitert. Der Tschetschene selbst wurde zwar zurück geschickt, aber der Rest der Familie blieb in Deutschland. In der Brandenburger Ausländerbehörde ist man sichtlich frustriert und beklagt ein Abschiebungssystem, das nicht funktioniere. Der Fall der Familie aus der russischen Republik hatte in der Vorwoche für Schlagzeilen gesorgt.
Es kam dabei zu dramatische Szenen im Stadtteil Hohenstücken: Mit einem Sondereinsatzkommando (SEK) hat die Polizei den abgelehnten Asylbewerber aus seiner Wohnung geholt. Der Mann hatte sich mit seiner Frau und den zwei gemeinsamen Kindern verschanzt und war mit einem Messer bewaffnet. Wegen der Abschiebung drohte der Mann, sich selbst zu töten.
Abzuschiebende sind meist nicht vor Ort
„Unsere Ausländerbehörde versuchte Freitag sogar zwei Abschiebungen in die Wege zu leiten“, sagt der zuständige Beigeordnete Michael Brandt (CDU). Und wie in den meisten Fällen, seien diese Abschiebungen gescheitert. In einem Fall wurde der Betroffene nicht angetroffen. Der zweite Fall, also die Rückführung der Familie in die Russische Föderation scheiterte in Leipzig. Nachdem die Familie nach einer ärztlichen Untersuchung in Brandenburg durch die Polizei in Begleitung der Mitarbeiter der Ausländerbehörde zum Flughafen gebracht worden war, stellten sich bei der Frau medizinische Probleme ein, heißt es aus dem Rathaus. Der Flughafen-Arzt stellte eine Flugunfähigkeit fest. „Es wurde entschieden, den Ehemann allein zurückzuführen. Die Trennung eines Elternteils vom Rest der Familie ist grundsätzlich möglich, sofern nicht die Gefahr einer dauerhaften Trennung besteht. Die Ausreisepflicht von Frau und Kindern besteht weiter“, heißt es aus Brandts Ressort weiter.
Scheitern ist die Regel
Seit Jahren gibt es Probleme mit der Abschiebung ausreisepflichtiger Ausländer, deren Rechtsmittel erschöpft sind. Brandt: „Die Voraussetzungen für Rückführungen sind derart hoch und komplex, dass in den langwierigen Verfahren eher von einem Scheitern als von dem Vollzug ausgegangen werden muss. Von den 51 Abschiebungsversuchen in der Stadt Brandenburg im Jahr 2018 sind 49 gescheitert.“
Meist wurden Betroffene – wenig überraschend – nicht angetroffen. Sie sind nach der Ablehnung abgetaucht, erklärt ein Insider.
Das Verfahren „ist auch deshalb bedenklich, weil Abschiebemaßnahmen für alle Beteiligten extrem belastend und mit großem Aufwand verbunden sind. Setzt man Aufwand und Ergebnis ins Verhältnis, ist das derzeit praktizierte System ineffektiv und ungeeignet“, klagt Michael Brandt.
Meistens sind die Pässe weg
Gegenwärtig sind allein in der Stadt Brandenburg 135 Personen untergebracht, die ausreisepflichtig wären aber geduldet werden. Für 127 von ihnen ist der Grund ganz einfach: Die Abschiebung wird wegen fehlender Ausweispapiere ausgesetzt. Ohne Pass kann nach deutschen Gesetzen nicht abgeschoben werden, bis neue Papiere vorliegen, vergeht häufig eine lange Zeit. Sind die Pässe dann da, sind die Betroffenen meist wenig später weg.
„Momentan ist es doch so: Wir bestellen einen Flieger und schauen, ob wir die Leute finden. Wenn nicht, bleibt der Flieger leer“, klagt ein Stadtverwalter. Wie man dieses Problem löst? Dazu will sich im Rathaus niemand äußern. Dafür „bedarf es politischer Lösungen“, sagt Brandt, geht aber selber nicht ins Detail.
Hilferuf an Landesregierung
Denkbar wäre eine geschlossene Unterbringung der Ausreisepflichtigen nachdem ihnen die Dokumente übergeben wurden und die Organisation von Sammelfliegern. Doch bisher war der Versuch, eine zentralisierte Abschiebung zu organisieren, immer wieder von der Politik kassiert worden. Wie es heißt, soll das Thema am 6. November, wenn die Rathausspitze das Kabinett mit Dietmar Woidke im Rathaus empfängt, zur Sprache gebracht werden.
Von Benno Rougk