Während einer privaten USA-Visite traf sich Kanzler Schmidt mit politischen Gegnern des Präsidenten.
Der Kanzler reagierte ungehalten. Schließlich sei er in Urlaub, blaffte Helmut Schmidt am Dienstag vergangener Woche während einer Zwischenlandung auf dem Dulles-Airport bei Washington deutsche Korrespondenten an, er wolle wenigstens in seinen Ferien in Ruhe gelassen werden.
Die Journalisten hatten den Bonner Regierungschef mit der Frage gereizt, ob es denn nicht einen etwas "eigenartigen Eindruck" machen müsse, daß Schmidt bei seinem Kurzurlaub in Kalifornien fast nur mit politischen Gegnern des angeschlagenen US-Präsidenten Jimmy Carter gesprochen habe.
Daß es wie eine politische Demonstration wirken mußte, wenn der Bonner ausgerechnet in den Tagen, in denen sich der Demokrat Carter durch die bislang schwerste Krise seiner Amtszeit wurstelte, mit hochrangigen Vertretern der republikanischen Opposition zu vertraulichem Politplausch zusammenkam, wußte Schmidt sehr wohl. So war es denn kaum mehr als eine Pflichtübung, als er, quasi zur Entschuldigung, die Reporter darauf hinwies, er habe ja auch mit William Miller, dem neuen US-Finanzminister, und Zbigniew Brzezinski, Carters Sicherheitsberater, Kontakt gehabt.
Schmidt, dessen Zweifel an den Qualitäten Jimmy Carters hinlänglich bekannt sind, hatte sein Treffen bei den Republikanern mit einem Anschein von Heimlichtuerei umgeben. Vor seinem Abflug hieß es in Bonn lediglich, der Kanzler werde bei dem Urlaubstrip seinen alten Freund George Shultz, unter Richard Nixon Finanzminister und jetzt im Big Business, sowie einige US-Wirtschaftsführer sehen.
Kurz nach Schmidts Ankunft arrangierte Shultz indes ein Rendezvous mit Spitzenrepublikanern. Der Amerikaner ließ in einem Jet seiner Firma, der Bechtel Corporation, am vorletzten Sonntag Ex-Außenminister Henry Kissinger und den früheren Nato-Oberbefehishaber Alexander Haig, einen der möglichen Gegenkandidaten Carters im kommenden Präsidentschaftswahlkampf, sowie den früheren Vize-Verteidigungsminister David Packart einfliegen.
Unter strikter Geheimhaltung konferierte die Herren runde in der exklusiven Villa "Caprus", einem Bechtel-Gästehaus nahe Monterey bei San Francisco -- so als würde ein amerikanischer Präsident beim privaten Deutschland-Trip mit prominenten Unionspolitikern hinter dem Rücken des Kanzlers zusammenhocken.
Überdies führten die Republikaner den Bonner Krisenbändiger in den "Bohemian Grove" ein. In diesem stramm konservativen Männerklub plaudert vornehmlich Amerikas betuchte republikanische Elite allsommerlich in Pfadfindermanier an Lagerfeuern und in rustikalen Hütten entspannt über Politik und Geschäfte.
Zur "Grovetime" im Juli fanden sich unweit von Santa Rosa an die 200 Bosse aus Wirtschaft und Finanzwelt sowie Spitzenpolitiker zusammen, die -- so erinnert sich Besucher Schmidt -- "miteinander gesungen, Musik gemacht, gegessen haben, getrunken haben; letzteres nicht zu vergessen".
Dieser Klub -- Frauen, Liberale und, was Schmidt besonders gefiel, Presseleute sind strengstens verpönt -- zählt die Präsidenten der 50 größten US-Konzerne, der 20 größten Banken und 12 stärksten Versicherungen zu seinen Mitgliedern.
Für Schmidt reichte der Lageraufenthalt auch zum Shakehands mit Carter-Vorgänger Gerald Ford, auf dessen Wiederwahl der Kanzler vergeblich gesetzt hatte. Interessiert war er aber nach Auskunft seines daheim gebliebenen Intimus Klaus Bölling vor allem am Urteil von Männern der US-Wirtschaft. Bölling: "Dem Kanzler war klar, daß er dort keine Leute treffen würde, die er als Ehrenmitglieder für die SPD gewinnen könnte."
Schmidt selbst ("Ich bitte, dieses Treffen nicht überzubewerten") setzte sich nach kurzem Aufenthalt aus dem Pfadfinderlager der oberen Zehntausend ab. So wurde er nicht Zeuge eines im "Bohemian Grove" üblichen Rituals: In rote Kapuzenmäntel gehüllte US-Bosse verbrennen vor dem "Altar der Eule", der Schutzgöttin der "Bohemians", ihre Alltagssorgen' symbolisiert durch einen Leichnam aus Pappmaché im offenen Sarg. Statt dessen eilte der USA-Tourist nach San Francisco, um seine Alltagssorgen mit Finanzminister Miller zu besprechen.
Zum Schluß dann fand Schmidt beim Rückflug noch ganze 25 Minuten Zeit für Sicherheitsberater Brzezinski und den Präsidenten-Gehilfen aus dem State Department, George West. Brzezinski, der auf die verspätete Kanzlermaschine eine halbe Stunde warten mußte, übermittelte dem Deutschen die Bitte, den Präsidenten anzurufen.
Schmidt erfüllte den Wunsch -- für den Kanzler eine "Angelegenheit der beiderseitigen freundlichen Höflichkeit".