Beispeilfoto: Ein junger Flüchtling in einer Unterkunft. Foto: dpa
51 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge werden derzeit im Landkreis nach den Regeln der Jugendhilfe betreut. Das Landratsamt hat jetzt die Entwicklung und die Chancen von zwölf Jugendlichen, die in die Selbstständigkeit entlassen wurden, dargelegt. Eine Zwischenbilanz.
– Die zwölf Fälle, die dem Jugendhilfeausschuss des Kreistags jetzt vorgestellt wurden, sind nicht zufällig gewählt. Es handelt sich um unbetreute jugendliche Flüchtlinge (oder Migranten), deren Jugendhilfe zwischen 1. Dezember 1017 und dem 15. April 2018 ausgelaufen ist – sprich um Jugendliche, deren Intensivbetreuung (meist mit Vollendung des 18. Lebensjahrs) geendet hat. Sie leben teils in Wohngemeinschaften, teils als so genannte Fehlbeleger meist in dezentralen Unterkünften. Einige, die Aufenthaltsstatus haben, hätten aber auch Wohnungen bekommen, sagte eine Sprecherin des Landratsamts auf Nachfrage. „Das gelingt hin und wieder.“
Ein nach Aktenlage im Jahre 1999 geborener Somalier, der unter subsidiärem Schutz steht, besucht die 11. Klasse der FOS/BOS. Er macht Praktika als Altenpfleger und möchte in diesem Beruf eine Ausbildung machen. Der junge Mann wird in den Akten des Ausländeramts als eigenständig, zielstrebig und fleißig beschrieben. Seine Chancen, die Schule mit Abschluss zu beenden gelten als gut, obgleich sein psychisches Befinden als täglich/wöchentlich wechselnd beschrieben wird. Im Amtsdeutsch gesprochen wurde er im Februar dieses Jahres „verselbstständigt“, sprich in die Eigenverantwortlichkeit entlassen. Das Amt lobt die gute Zusammenarbeit mit ihm. Den Staat gekostet hat die Betreuung des Somaliers seit 2015 102 854,22 Euro.
Ein bereits selbstständig lebender Syrer (geboren im Jahr 2000) hat den Staat bislang 178 277,06 Euro gekostet. Er besucht die Abschlussklasse der Berufschule, gilt als höflich, respektvoll und fleißig und hat Flüchtlingsstatus. Allerdings hat er seit seiner Entlassung aus der Jugendhilfe alltagsspezifische Probleme, wie das Amt schildert. Eine weitere ambulante Betreuung wird daher geprüft. Ein erfolgreicher Abschluss der Berufsschule gilt als wahrscheinlich.
Ein 1999 geborener Eritreer unter subsidiärem Schutz hat die Berufsschule wegen Konzentrationsproblemen, wie es heißt, abgebrochen. Der junge Mann habe in der vollstationären Unterbringung viele Probleme bereitet, wird geschildert. Gleichwohl galt er als relativ selbstständig, wobei er seit seiner Entlassung aus der Jugendhilfe trotz folgender Betreuung psychische Belastungsmomente aufweise. Wie es mit dem jungen Mann weiter geht, ist unklar. Ein Abschlussgespräch hat es nicht gegeben. Kosten seit 2015: 124 589,96 Euro.
Ein 1999 geborener Afghane (Abschiebeverbot), besucht die Berufsschule. Er braucht pädagogische Begleitung. Ohne eine solche bestehe die Gefahr des Schulabbruchs, heißt es in den Unterlagen des Amts. Kosten bislang: 124 284,07 Euro.
Bereits 149 688,03 Euro hat der Staat für einen 1999 geborenen Afghanen aufgewendet. Er hatte Schwierigkeiten in der Schule und gilt als Analphabet, war aber praktisch veranlagt und galt als freundlich sowie hilfsbereit. Er sei sehr bemüht, das Lesen zu lernen, heißt es in den Unterlagen. Unter ambulanter Betreuung, so war der Plan, hätte er sein Leben meistern können. Er besuchte eine Sprachintensivierungsklasse. Kurz vor Abschluss der Jugendhilfe tauchte der junge Mann aber ab. Offenbar befindet er sich in Frankreich.
Ein 1999 geborener Afghane besucht die Berufschule. Seine psychsiche Verfassung gilt als schwankend. Trotzdem versuche er, sein Leben gut zu gestalten, heißt es in den Unterlagen. Er organisiere seinen Alltag selbstständig. Die Chance auf einen Berufschulabschluss gelten als gut. Kosten bislang: 177 574,73 Euro.
Das Asylgesuch eines 1998 geborenen Afghanen wurde abgelehnt, obwohl der Staat bislang 148 089,80 Euro für ihn aufgewendet hat. Er brauche engmaschige Betreuung, einen klar strukturierten Tagesablauf und klare Regeln mit wiederkehrenden Ritualen und festen Ansprechpartnern. Eine ambulante Betreuung könne den erhöhten pädagogischen Bedarf nicht abdecken, heißt es in den Unterlagen. Er besucht die Berufsschule.
Subsidiären Schutz genießt ein im Jahr 2000 geborener Syrer, für den bislang 178 645,61 Euro aufgewendet wurden. Er ist nicht negativ aufgefallen, wollte aber auch kein Abschlussgespräch führen. Er hat alltagsspezifische Probleme seit der Entlassung aus der Jugendhilfe, daher wird weitere Betreuung geprüft. Ein positiver Abschluss der Berufsschule gilt als wahrscheinlich.
Ein 1998 geborener Afghane (Abschiebeverbot) besucht ein Projekt der Stadtwerke München. Wegen diverser problematischer Vorkommnisse in zunehmender Anzahl sei die Jugendhilfe beendet worden, heißt es in den Unterlagen. Er habe nicht mitgewirkt, heißt es. Er habe starke Alkoholprobleme. Gefahr: Selbstverletzendes oder fremdgefährdenes Verhalten sowie respektive Sachbeschädigungen. „Ohne Entzug wird er voraussichtlich in allen Belangen des Alltags Probleme machen/haben“, heißt es im Bericht des Ausländeramts. Die ihn vormals betreuende Einrichtung hat ein Hausverbot gegen ihn ausgesprochen. Kosten bislang: 179 145,21 Euro.
Ein 2000 geborener Syrer wird die Berufsschule voraussichtlich nicht erfolgreich abschließen können. Er hat Alltagsprobleme in der Schule und in seiner Wohngemeinschaft. Er braucht weitere Unterstützung. Kosten bisher: 128 260,11 Euro.
Ein im Jahr 2000 geborener Syrer war mit unter 18 Jahren schon so selbstständig, dass nichts anderes in Frage gekommen sei, als ihn früh in die Selbstständigkeit zu entlassen. Er mache eine Ausbildung als Tierarzthelfer. Zitat aus den Unterlagen der Ausländerbehörde: „Er wird höchstwahrscheinlich die Ausbildung mit Bravour meistern.“ Kosten seit 2015: 135 620,15 Euro.
Ein 1999 geborener Afghane hat den ihm anempfohlenen Entzug nicht angetreten. Daher wurde die Jugendhilfe beendet. Zu diesem Zeitpunkt sei in Fürstenfeldbruck keine geeignete Anschluss-Unterbringung vorhanden gewesen. Er wurde nach Bad Tölz umverlegt. Kosten bislang: 152 384,61 Euro.
: Im öffentlich tagenden Jugendhilfeausschuss (es gibt auch einen nichtöffentlichen Unterausschuss) kam es, wie meist in der jüngeren Vergangenheit, zu keiner Debatte oder Aussprache. Landrat Thomas Karmasin betonte, dass er Einzelfälle analysieren habe lassen, damit jeder sich eine Meinung bilden könne. „Es gibt Erfolge, vereinzelt“, bilanzierte er. Die Frage, ob dies alles für die Gesellschaft die richtige Investition sei, müsse man sich stellen.
Eigentlich wäre der Landkreis für 121 unbegleitete junge Flüchtlinge zuständig. Dass nur 52 hier leben, stelle eine erhebliche Quotenunterschreitung dar, so das Ausländeramt. Im Jahr 2018 wurden dem Landkreis daher bereits 13 junge Migranten aus anderen Landkreisen zugewiesen. 40 der jungen Leute leben in stationären Einrichtungen, einer davon in einer therapeutischen. Elf erhalten Erziehungsbeistandschaft. 17 leben in betreuten Wohnformen, 15 in niederschwelligen Einrichtungen, zwei in Pflegefamilien. Bei fünf jungen Leuten ist das weitere Vorgehen unklar. Im Landkreis gibt es drei Einrichtungen in Gernlinden, in Bruck und in Aufkirchen, wobei Gernlinden Ende Juni wohl schließt. Unter den jungen Flüchtlingen sind nur zwei Frauen. Die meisten Unbegleiteten kommen aus Afghanistan. Aus Syrien und Irak kommen vier. Weitere stammen aus Eritrea (5), Pakistan (3), Mali, Nigeria (2), Kongo/Sambia, Elfenbeinküste, Guinea, Somalia (6), Ghana und Kamerun.
Die Kosten werden stets über den Bezirk Oberbayern abgerechnet. Bei den unter 18-Jährigen bezahlt der Freistaat 100 Prozent. Bei den 18 Jahre alt gewordenen ist es schwieriger: Hier trägt der Freistaat nur noch einen Teil der Ausgaben. Die so entstehende Lücke schließt der Bezirk via Umlage, die die Landkreise bezahlen.