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Wie die Sonne im Himmel: So verbiegt die AfD die Polizeiliche Kriminalstatistik

Wie die Sonne im Himmel : So verbiegt die AfD die Polizeiliche Kriminalstatistik

Die „Zahl der in Deutschland aufhältigen Zuwanderer im Sinne der PKS-Definition“ könne „kaum akkurat bestimmt werden“, teil das Bundeskriminalamt mit. Wieder kein Problem, möchte man meinen, man könnte die Zahl schätzen, wie es Hess möglicherweise getan hat. Und doch wäre der Vergleich nicht aussagekräftig: Er wäre nicht nach Alter und Geschlecht bereinigt, mit großen Auswirkungen auf das Ergebnis.

Bild: AFD

„Alter und Geschlecht sind Merkmale, die mit Kriminalität eng zusammenhängen. Schon unabhängig vom Alter ist die Kriminalitätsbelastung deutscher Männer etwa dreimal so hoch wie bei Frauen“, teilt das Bundeskriminalamt mit. Unter Zuwanderern ist die besonders kriminalitätsbelastete Gruppe junger Männer überrepräsentiert. Um die AfD-Erzfeindin Claudia Roth zu verhöhnen, hatte Hess also eine falsche Rechnung präsentiert und ausgerechnet behauptet: „Schluss mit Augenwäscherei!“

Mit gewaschenen Augen sind anhand der Kriminalstatistik durchaus diskussionswürdige Aussagen möglich. Sogar solche, die – je nach Geschmack – in AfD-Kreisen auf Gefallen stoßen könnten. Auf Seite 13 des Bundeslagebildes des Bundeskriminalamtes etwa lässt sich der Anteil der Tatverdächtigen nach Nationalität vergleichen. Die Frage, aus welchem Land im Schnitt die kriminelleren Einwanderer stammen, wird hier annähernd beantwortet. Während Syrer etwa 35,3 Prozent aller Asylsuchenden ausmachen, liegt ihr Anteil unter den tatverdächtigen Einwanderern nur bei 20 Prozent. Ähnlich verhält es sich bei Asylsuchenden aus Afghanistan, Irak und Albanien. Sie sind – entgegen manchem Vorurteil – beim Anteil der Tatverdächtigen unterrepräsentiert.

Anders verhält es sich bei Einwanderern aus Marokko, Algerien, Serbien, Georgien, Gambia und Guinea. Sie sind bei den Tatverdächtigen überrepräsentiert. Eine Aussage über den Nationalcharakter der betreffenden Länder ist das nicht. Marokkaner sind deshalb nicht krimineller als Deutsche. Es ist ein Indiz, dass speziell die Marokkaner in Deutschland öfter tatverdächtig sind als andere. Auch hier können Geschlecht, Alter und soziale Herkunft der konkreten Asylsuchenden eine Rolle spielen. Während aus dem einen Land vielleicht mehr junge Männer nach Deutschland kommen, sind es aus dem anderen Land vielleicht eher Familien mit Kindern. Sämtliche Aussagen über Tatverdächtige sind ohnehin mit Vorsicht zu genießen, ein Tatverdächtiger ist noch kein Verurteilter, darauf legt auch jeder Deutsche, der angezeigt wird, großen Wert. Die Wirklichkeit ist kompliziert.

Vielleicht hätte Hess ausgerechnet von seiner Gegnerin Roth lernen können. Diese formulierte ihre Aussage – „man sollte nicht so tun, als seien Geflüchtete per se krimineller als Deutsche“ – so weich, dass sie schwerer zu bewerten ist. „Per se“ ist das Zauberwort. Wenn Flüchtlinge nicht „per se“ krimineller sind als Deutsche können es bestimmte Gruppen von Flüchtlingen aus bestimmten Ländern trotzdem sein. Das ist – per se – nicht ausgeschlossen. Man kann sich aber nicht auf die Kriminalstatistik berufen, wenn man es behaupten wollte.

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