Zwei Männer sollen die seit zwei Wochen vermisste 14-jährige Susanna aus Mainz in Wiesbaden vergewaltigt und umgebracht haben. Einer der beiden Tatverdächtigen sei am Mittwoch festgenommen worden, teilten die Ermittler mit. Es handele sich um einen 35-jährigen Asylbewerber mit türkischer Staatsangehörigkeit. Er wird am Donnerstag einem Haftrichter vorgeführt.
Der andere Verdächtige, ein 20 Jahre alter Asylbewerber aus dem Irak, befindet sich auf der Flucht. Nach Ali Bashar wird gefahndet, das Amtsgericht Wiesbaden erließ am Donnerstag Haftbefehl gegen ihn. Beide sollen in Wiesbaden in einer Asylunterkunft gelebt haben.
Der 20 Jahre alte Iraker sei vermutlich am Ende der vergangenen Woche mit seiner gesamten Familie „überhastet abgereist“, sagte der Wiesbadener Polizeipräsident Stefan Müller. Die Familie aus Vater, Mutter und sechs Kindern habe zuletzt in einer Asylunterkunft in Wiesbaden-Erbenheim gelebt.
Sie sei nach bisherigen Erkenntnissen am Samstag von Düsseldorf aus nach Istanbul geflogen. Von Istanbul ging es weiter mit einem Anschlussflug nach Erbil im Irak. Auf den Flugtickets seien andere Namen angegeben gewesen als auf den ebenfalls am Flughafen vorgelegten Aufenthaltspapieren für Deutschland, sagte Müller.
Ali Bashar war der Polizei bereits bekannt
Die Gruppe habe aber auch sogenannte Laissez-passer-Dokumente – eine Art Passierschein – in arabischer Sprache mit Passbildern dabeigehabt, die von der irakischen Botschaft ausgestellt worden seien. Am Flughafen seien nach den bisherigen Erkenntnissen die Passfotos, aber nicht die Namen abgeglichen worden.
Das Fahndungsbild der Polizei zeigt einen jungen Mann mit Dreitagebart, der Jeans und eine weiße Jacke trägt. Ali Bashar ist nach Angaben der Ermittler in diesem Jahr schon mehrmals polizeilich aufgefallen: Unter anderem soll er im März eine Polizistin in Wiesbaden angerempelt und um sich gespuckt haben. Er sei daraufhin in Gewahrsam genommen worden. Der Verdächtige soll außerdem im April mit einem Mittäter einen Mann mit einem Messer bedroht und dessen Wertsachen geraubt haben. In anderen Fällen wie etwa einer gewalttätigen Auseinandersetzung zwischen zwei Gruppen, habe eine Beteiligung von Ali Bashar nicht festgestellt werden können. Es habe insgesamt in keinem Fall einen Haftgrund gegeben, sagte der Wiesbadener Polizeipräsident Stefan Müller.
Geprüft werde noch eine Verbindung zur mutmaßlichen Vergewaltigung einer Elfjährigen im März, die nach Angaben der Polizei erst im Mai angezeigt wurde. Das Opfer habe angegeben, von einem Mann namens Ali aus der Asylunterkunft in Erbenheim, in dem auch der Verdächtige im Fall Susanna wohnte, vergewaltigt worden zu sein. Unter diesem Vornamen seien dort aber mehrere Männer gemeldet.
Seine Familie reiste vermutlich im Oktober 2015 über den Irak, die Türkei und Griechenland nach Deutschland ein, sagte der Präsident des Polizeipräsidiums Westhessen, Stefan Müller. Die erste Unterkunft war in Gießen, im März 2016 seien sie dann nach Wiesbaden gekommen. Ein Asylantrag war gestellt, er wurde im Dezember 2016 abgelehnt. Weil er dagegen klagte, durfte er sich noch in Deutschland aufhalten. Der 35-Jährige kam im Frühjahr 2017 nach Deutschland.
Die 14-jährige Susanna war am 22. Mai als vermisst gemeldet worden. Sie war mit Freunden in der Wiesbadener Innenstadt unterwegs gewesen und abends nicht wie abgesprochen nach Hause zurückgekehrt. Bei der Polizei gingen daraufhin mehrere Zeugenhinweise ein, die auf ein Verbrechen hindeuteten.
Susanna war Mitglied der Jüdischen Gemeinde Mainz, wie der Zentralrat der Juden in Berlin dem Evangelischen Pressedienst (epd) bestätigte. „Unser tiefes Mitgefühl gilt den Angehörigen und Freunden“, heißt es in einer am Nachmittag verbreiteten Presseerklärung. „Derzeit sind viele Hintergründe der Tat noch unklar. Wir erwarten von den Strafverfolgungsbehörden eine rasche und umfassende Aufklärung sowie harte Konsequenzen für den oder die Täter.“
Ein 13-jähriger Asylbewerber half bei der Aufklärung
Susanna starb nach Angaben des Leitenden Oberstaatsanwalts Achim Thoma durch Gewalt gegen den Hals. Eine DNA-Überprüfung habe „zweifelsfrei“ ergeben, dass es sich um die Leiche der Jugendlichen handele. Es besteht der Verdacht, dass Susanna zuvor vergewaltigt wurde. Zur Vertuschung ihrer Tat sollen die beiden Verdächtigen die Leiche an einer anderen Stelle begraben und mit Reisig bedeckt haben.
Die Jugendliche kannte nach Angaben von Polizeipräsident Müller den Bruder des tatverdächtigen Irakers, es bestand ein sogenanntes Kennverhältnis.
Einen entscheidenden Hinweis auf das Verbrechen bekamen die Ermittler nach eigenen Angaben von einem 13-jährigen Jungen, der ebenfalls ein Asylbewerber sei. Er habe sich als Zeuge bei der Polizei gemeldet und mit seinen Aussagen zur Aufklärung des Verbrechens beigetragen. Ali Bashar soll ihm gegenüber von der Tat gesprochen haben. In welcher Verbindung es zu den beiden Verdächtigen steht, ist unklar. Die weiteren Ermittlungen führten sie dann zu dem 35-Jährigen.
Nach längerer Suche fand die Polizei dann am Mittwochnachmittag in einem schwer zugänglichen Gelände bei Wiesbaden-Erbenheim eine weibliche Leiche. In der Umgebung des Ortes hatten die Beamten schon in den Tagen zuvor nach der vermissten Jugendlichen gesucht. Die Ermittler gingen aufgrund der Spuren sofort von einem Gewaltverbrechen aus.