Fall Babtschenko Zwischen Eigenlob und Empörung
Stand: 31.05.2018 14:12 Uhr
20 Stunden lang haben sie alle getäuscht: Die ukrainische Regierung feiert den inszenierten Mord an Journalist Babtschenko als großen Coup. Kollegen des Kreml-Kritikers fühlen sich betrogen.
Von Markus Sambale, ARD-Studio Moskau
Die ukrainische Führung feiert sich - und betrachtet den vorgetäuschten Journalisten-Mord als eine Glanzleistung ihres Geheimdienstes. Es war Präsident Petro Poroschenko persönlich, der Arkadi Babtschenko empfing - den russischen Journalisten, der vom ukrainischen Geheimdienst 20 Stunden lang für tot erklärt worden war.
Eine Inszenierung, wie sich später herausstellte - angeblich, um die Hintermänner eines geplanten Attentats auf den Journalisten auffliegen zu lassen. Der Auftrag für den Mord sei aus Russland gekommen, erklärte Poroschenko. Er versprach dem Journalisten: "Ich habe den Geheimdienstchef beauftragt, Sie und Ihre Familie rund um die Uhr beschützen zu lassen. Denn Moskau wird keine Ruhe geben. Aber wir haben inzwischen gelernt, das Land und seine Bürger zu schützen."
Babtschenko dankt ukrainischem Geheimdienst
Babtschenko hatte in den vergangenen Jahren die Außenpolitik des Kreml und die russischen Militäreinsätze kritisiert. Der Journalist wurde deshalb in Russland bedroht, er verließ seine Heimat 2017 und ging in die Ukraine. Dort sei er vor einem Monat in die Geheimdienstoperation eingeweiht worden, sagt er.
Bei der Inszenierung seines Mordes habe er mitgespielt. Babtschenko deutete an, so seien weitere Verbrechen verhindert worden: "Ich möchte dem ukrainischen Geheimdienst danken, dass er mein Leben gerettet hat. Und noch wichtiger: dass man einen schweren Terroranschlag verhindert hat, denn es war noch etwas Größeres geplant." Auch der ukrainische Geheimdienstchef hatte von einem größeren Komplott gesprochen, das man aufgedeckt habe, ohne aber konkret zu werden und Belege zu liefern.
"Wir als Journalisten fühlen uns betrogen"
Dass der ukrainische Staat alle Welt in die Irre geführt hat, stößt auf viel Kritik. Die russische Journalistin Irina Borogan, die über die Arbeit von Geheimdiensten berichtet, meinte im unabhängigen Moskauer Fernsehsender Doschd: "Wir als Journalisten fühlen uns betrogen. Das Vertrauen in den Journalismus wurde schwer verletzt. So wie der Kreml und seine Propaganda-Medien versuchen, die Grenze zwischen Tatsachen und Fälschungen zu verwischen, so hat das jetzt Arkadi Babtschenko zusammen mit dem ukrainischen Geheimdienst getan."
Empörung herrscht auch bei der Organisation Reporter ohne Grenzen. Sie sprach von einer neuen Stufe des Informationskrieges. Es sei sehr gefährlich für eine Regierung, mit den Fakten zu spielen - vor allem, wenn dabei Journalisten benutzt würden.
Nach dem vorgetäuschten Journalisten-Mord
Markus Sambale, ARD Moskau
31.05.2018 12:06 Uhr