Jahresbericht im Kabinett 20 Milliarden Euro für Flüchtlinge
Stand: 30.05.2018 17:50 Uhr
Für die Unterbringung und Integration von Flüchtlingen hat der Bund 2017 einen Milliardenbetrag ausgegeben. Der vom Kabinett verabschiedete Jahresbericht verzeichnet Ausgaben von 20,8 Mrd. Euro.
Von Wolfgang Wichmann, tagesschau.de
Im November 2015 forderte der Deutsche Bundestag die Bundesregierung auf, jeweils nach Ende des Haushaltsjahres über Maßnahmen des Bundes beim Thema Flüchtlinge zu unterrichten. Konkret sollte dargelegt werden, mit wieviel Geld der Bund die Länder und Kommunen unterstützte und wie die Mittel in den Ländern verwendet wurden.
Der Bericht für das Jahr 2017 mit insgesamt 39 Seiten ist online abrufbar und wurde heute als Tagesordnungspunkt 1 vom Kabinett verabschiedet. Im Kern hält der Bericht fest, dass der Bund im vergangenen Jahr für die Flüchtlingshilfe und Integration mindestens 20,8 Milliarden Euro ausgab. Rund 6,6 Milliarden Euro bekamen demnach Länder und Kommunen, knapp sieben Milliarden entfielen auf die Bekämpfung von Fluchtursachen. 2016 waren laut dem Bericht 20,3 Milliarden Euro aufgewendet worden.
Der Anteil an den Gesamtausgaben des Bundes lag damit 2017 bei 6,4 Prozent. Im Jahr davor hatte er bei 6,3 Prozent gelegen.
Zweck | Summe |
---|---|
Entlastung für Länder und Kommunen | 6,6 Mrd. Euro |
Ausgaben ohne Länderbeteiligung | 14,2 Mrd. Euro |
~ davon Bekämpfung von Fluchtursachen | 6,8 Mrd. Euro |
~ davon Sozialtransfers nach dem Asylverfahren, z.B. Unterkunftskosten | 3,69 Mrd. Euro |
~ davon Integrationsleistungen, z.B. für Sprachkurse | 2,64 Mrd. Euro |
~ davon Aufnahme, Registrierung und Unterbringung im Asylverfahren | 1,1 Mrd. Euro |
Gesamt | 20,8 Mrd. Euro |
Von Registrierung bis Bescheid
Generell beteiligt sich der Bund an den Ausgaben der Länder für Asylsuchende von der Registrierung bis zum Bescheid. Dafür habe der Bund eine Abschlagszahlung von 1,16 Millionen Euro geleistet. Eine Schlussabrechnung stehe aber noch aus. Für jeden abgelehnten Flüchtling zahlt der Bund an die Länder einen pauschalen Betrag von 670 Euro.
Im Detail listet der Bericht auf, bei welchen Positionen die Länder durch den Bund unterstützt wurden: u.a. bei den Kosten für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge, der Kinderbetreuung, der Wohnraumförderung, den Kosten für Unterkunft und Heizung. Der größte Posten in diesem Bereich: eine Integrationspauschale für die Länder in Höhe von 2000 Millionen Euro.
Zweck | Summe |
---|---|
Beteiligung an Ausgaben für Asylsuchende | 1.163 Mio. Euro |
Entlastung für unbegl. minderjährige Flüchtlinge | 350 Mio. Euro |
Verbesserung Kinderbetreuung | 774 Mio. Euro |
Kinderbetreuungsausbau | 226 Mio. Euro |
Kompensation Wohnraumförderung | 1.000 Mio. Euro |
Integrationspauschale | 2.000 Mio. Euro |
Unterkunft und Heizung | 900 Mio. Euro |
Hilfe durch THW und Überlassung von Grundstücken | 158 Mio. Euro |
Beförderungskosten | 10 Mio. Euro |
Gesamt | 6.581 Mio. Euro |
Größte Posten für bevölkerungsreichste Länder
Der Bericht macht deutlich, dass die größten Posten des Bundes in diesem Bereich anhand der Einwohnerzahl an die Länder verteilt wurden. So erhielt beispielsweise das bevölkerungsreichste Bundesland Nordrhein-Westfalen 433 Mio. Euro Integrationspauschale - das Saarland dagegen 24 Mio. Euro. Ergänzend heißt es:
Die Entscheidung darüber, ob und gegebenenfalls welcher Anteil an die Kommunen weitergegeben wird, liegt allein in der Verantwortung des jeweiligen Landes.
Zuordnung von Kosten schwierig
Die geben darüber hinaus recht unterschiedlich Auskunft: Da keine rechtliche Auskunftsplicht der Länder besteht, erfolgten die Rückmeldungen der Länder "auf freiwilliger Basis und in unterschiedlichem Umfang".
Nicht immer - so beispielsweise die Kritik aus Baden-Württemberg - könne erhoben werden, welche Ausgaben beispielsweise in der Kinderbetreuung flüchtlingsbedingt seien - und welche nicht. Nordrhein-Westfalen und Sachsen Anhalt etwa zählten die Mittel zur Verbesserung der Kinderbetreuung nicht zu den flüchtlingsbedingten Ausgaben. Entsprechende Mittel des Bundes sollten die Situation "für alle Kinder verbessern und nicht ausschließlich den Flüchtlingskindern zugute kommen".
Ländern fordern mehr Geld
Kritik äußern gleich mehrere Länder an der geleisteten Unterstützung: So weist Sachsen darauf hin, dass der Bund seiner Zusicherung, sich bei den Asylausgaben "strukturell, dauerhaft und dynamisch an den gesamtstaatlichen Kosten zu beteiligen", nicht in ausreichendem Maße nachkomme. 2017 habe er sich "nur noch mit 26,8 Prozent" an den Asylausgaben des Landes beteiligt - im Vergleich zu 43,8 Prozent im Jahr davor.
Auch Sachsen-Anhalt äußert Unmut: So stünden für die Versorgung unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge den Kosten der Kommunen in Höhe von rund 60 Millionen Euro Einnahmen seitens des Bundes in Höhe von 9,5 Millionen Euro gegenüber. In der Konsequenz hätten erheblich mehr Landesmittel aufgewendet werden müssen. Auch Bremen und Thüringen beklagen mehr Kosten für das Land als der Bund an Mitteln bereitgestellt habe.
Bund weist Kritik zurück
Der Bund bezeichnete die Kritik der Länder in dem Bericht als "nicht nachvollziehbar". Die Finanzstatistik weise flüchtlings- und integrationsbezogene Ausgaben nicht separat aus. Die Abgrenzung erfolge demnach durch das jeweilige Bundesland und sei damit unheitlich und nicht vergleichbar. Zudem habe sich nicht zuletzt wegen der Unterstützung durch den Bund die Finanzsituation der Länder "äußerst positiv" entwickelt: 2017 habe es in 14 von 16 Ländern einen Überschuss gegeben - insgesamt 12,4 Milliarden Euro.
Bund für kommende Ausgaben gewappnet
Für die kommenden Jahre rechnet der Bund mit sinkenden Kosten für die Versorgung und Integration von Flüchtlingen. So wird erwartet, dass die Ausgaben nach und nach auf knapp 15 Milliarden Euro im Jahr 2021 sinken werden. Im Koalitionsvertrag von Union und SPD ist auch künftig eine Entlastung von Ländern und Kommunen festgeschrieben:
Wir stellen die weitere Finanzierung der laufenden Maßnahmen zur Entlastung von Ländern und Kommunen bei den Flüchtlingskosten (Integrationspauschale, Kosten der Unterkunft, unbegleitete minderjährige Flüchtlinge) in den Jahren bis 2021 mit insgesamt weiteren acht Milliarden Euro sicher und gestalten sie gemeinsam, wo erforderlich, effizienter neu aus. Wir prüfen zusätzliche finanzielle Anreize bei freiwilligem Engagement von Kommunen für erfolgreiche Integrationsarbeit.
Dafür ist der Bund offenbar gut vorbereitet: Seit 2015 richtete er zur Bewältigung der Kosten durch die Flüchtlingskrise eine Rücklage ein. Diese "Asylrücklage" beläuft sich aktuell auf 24 Milliarden Euro. Die Summe soll nun schrittweise ausgegeben werden, wie ein Sprecher des Finanzministeriums dem ARD-faktenfinder erklärte. In den Haushalten bis 2021 sei die "Asylrücklage" nahezu vollständig verplant.