Islamisten und Rechtspopulisten In der Propaganda vereint
Stand: 27.04.2018 08:36 Uhr
Islamisten und Rechtspopulisten sehen sich als Feinde. Doch eine aktuelle Studie zeigt, wie ähnlich ihre Propaganda funktioniert - und wie sie die Gesellschaft spalten wollen.
Von Eric Beres, SWR
2015 veröffentlichte der Islam-Konvertit Sven Lau ein Buch. Bekannt wurde Lau als Erfinder der Scharia-Polizei. Bis zu seiner Inhaftierung wegen Terrorunterstützung war er die Galionsfigur der Salafistenszene. In seinem Buch beklagte Lau die vermeintliche systematische Unterdrückung von Muslimen in Deutschland. Titel seines Werks: "Fremd im eigenen Land".
Wenige Monate später findet auch der zur neuen Rechten zählende Publizist Jürgen Elsässer Gefallen an dem Titel. "Fremd im eigenen Land" prangt auf dem Cover seiner Zeitschrift "Compact". Wobei Elsässer natürlich anderes im Sinn hat: Die angebliche Gefahr durch eine Islamisierung Deutschlands heraufzubeschwören.
Titelseite des Buches "Fremd im eigenen Land" von Sven Lau
Titelseite der Zeitschrift Compact: "Fremd im eigenen Land"
Opferrolle, Dämonisierung, Verschwörungstheorien
Zufall oder nicht - das Beispiel lässt erahnen, dass sich Islamisten und Rechtspopulisten gar nicht so fremd sind, wie man denkt. Zumindest in ihrer Strategie und in ihren Denkmustern: Die Betonung der eigenen Opferrolle, die Dämonisierung und Ausgrenzung von Fremdgruppen, das Schwarz-Weiß-Denken, das Verbreiten von Verschwörungstheorien. Also zwei Seiten der selben Medaille?
Forscher haben das Phänomen nun für das "Institut für Demokratie und Zivilgesellschaft" in Jena wissenschaftlich untersucht. "Hassliebe: Muslimfeindlichkeit und Islamismus im Tango" heißt ihre bisher unveröffentlichte Studie, die vom Bundesfamilienministerium gefördert wurde und dem SWR vorliegt. Ihre These: Wie beim Tango-Tanz bewegen sich Islamisten und Rechte zwar ideologisch meist in die entgegengesetzte Richtung, sind aber propagandistisch auf einander angewiesen.
Die Forscher haben mehr als 10.000 islamistische und rechtsextreme Facebook-Inhalte analysiert, auf Seiten wie "Islam-Die wahre Religion", "Dawa Pictures", Patriotisch deutsche Kraft oder "Ein Prozent für unser Land". Zudem mehr als eine Million deutschsprachige muslimfeindliche Twitter-Inhalte der vergangenen vier Jahre. Ergebnis: Sowohl Islamisten als auch Rechte verwenden gezielt Schlüsselbegriffe, um ihre Narrative - also ihre Weltsicht - in der Bevölkerung zu verankern.
Islamisten inszenieren sich als Ordnungshüter.
AfD-Anhänger träumen von einem "Jagdkommando".
"Tango" zwischen Islamisten und Rechten
So nutzen etwa islamistische Seiten Vokabeln wie "islamophob", "Fremdenhass" und "Kreuzzug". Rechtspopulistische Aktivisten sprechen permanent von "Masseneinwanderung", "Dschihad" und "Scharia" - und platzieren diese Propaganda gezielt in islamistischen Internetforen, um Gegenreaktionen zu provozieren. Seit Anfang 2015 und noch einmal verstärkt ab 2016 ist der "Tango" zwischen Islamisten und Rechten im Netz signifikant angestiegen und erreicht nach Ereignissen wie den sexuellen Übergriffen in Köln oder nach AfD-Wahlerfolgen immer wieder neue Höhepunkte - so das Ergebnis der Studie.
Anderseits gibt es bei den beiden "Tanz-Partnern" auch ideologische Schnittmengen - wenn es etwa um antisemitisches Gedankengut geht.
Zufall oder Strategie?
Ist das alles nun Zufallsprodukt oder Strategie? Die Forscher fanden vor allem im islamistisch-dschihadistischen Spektrum Hinweise dafür, dass Strippenzieher im Hintergrund auf die Provokation der Gegenseite geradezu setzen. Sie zitieren etwa Omar Bakri Muhammad, einen bekannten Londoner Dschihadisten, mit den Worten: "Wenn es keine Diskriminierung und keinen Rassismus gäbe, wäre es für uns schwierig." Für die Gruppierung "Realität Islam" war etwa die jüngste Diskussion um ein mögliches Kopftuchverbot für Kinder in NRW geradezu eine Steilvorlage. Prompt sprach sie davon, Muslime würden ständig in die Enge getrieben und man wolle ihnen "den Islam entreißen". Jetzt müsse die "Einheit der Muslime" zusammenstehen. Eine politische Debatte bestärkt also wieder einmal die eigene Opferrolle.
Der Jenaer Politikwissenschaftler Matthias Quent ist einer der Studienautoren. Er sagt gegenüber dem SWR: "Das zynische Spiel mit der Angst gibt den beiden antidemokratischen Lagern Legitimation und gesellschaftliche Relevanz. Die Angst - und damit das eigentliche Ziel der Terroristen - wird von Rechten geschürt, verstärkt und auf 'den Islam' verallgemeinert. Diese Diskriminierung nutzen Islamisten wiederum, um eine muslimische Verteidigungspflicht zu behaupten."
"Auslöschung der Grauzone"
Sind Politik, Gesellschaft und Medien gegenüber dem Treiben machtlos? Ein Patentrezept hat die Studie nicht zu bieten, eher Appelle. Die Politik müsse "rechten Aufwiegelungen" entgegentreten, Sicherheitsbehörden dürften sich nicht "als Teil nicht als Teil der rechtsextremen oder islamistischen Propaganda instrumentalisieren" lassen. Die Medien müssten zur Versachlichung beitragen, denn es sei gerade die "Grauzone", also die undifferenzierte Betrachtung, die Islamisten und Rechte auszulöschen versuchten.