Zur Navigation Zum Artikel

Wenn Sie sich diesen Artikel vorlesen lassen wollen benutzen Sie den Accesskey + v, zum beenden können Sie den Accesskey + z benutzen.

24. September 2016 12:39 Uhr

Freiburg

Salomon sieht Statuen-Streit als "kulturelles Missverständnis"

Eine Bronzefigur der koreanischen Partnerstadt Freiburgs sollte ein Zeichen setzen - und stiftet Streit mit der japanischen Partnerstadt. Was hält OB Dieter Salomon vom Ärger um die "Trostfrau"?

  1. Im vergangenen März besiegelten Yeom Tae Young und Dieter Salomon die Städtepartnerschaft Freiburgs mit Suwon. Foto: Günter Burger

Das scheinbar harmlose Geschenk führte zu diplomatischen Turbulenzen. Yeom Tae Young, Bürgermeister von Freiburgs südkoreanischer Partnerstadt Suwon, schenkte seinem Amtskollegen Dieter Salomon eine berührende Statue – eine Erinnerung an die sogenannten Trostfrauen und ein Mahnmal gegen sexuelle Gewalt in Kriegen. Es gab schon einen Standort dafür, doch der Protest aus Japan war riesig. Uwe Mauch hat sich mit Salomon über den Eklat unterhalten.

BZ: Haben Sie in Ihrer Amtszeit jemals so einen Aufruhr mit internationalem Echo erlebt?
Salomon: Überhaupt noch nicht. Wenn mir das jemand vor drei Wochen erzählt hätte, hätte ich gesagt: Das kann nicht sein. Wir waren im Zustand der völligen Unschuld und haben dann gemerkt, dass wir knöcheltief im Fettnapf stehen.

BZ: Wieso sollte überhaupt ein Denkmal, das an Kriegsgräuel zwischen zwei asiatischen Ländern erinnert, in Freiburg stehen? Das ist eher untypisch.
Salomon: Das ist eine Frage, wie man das bewertet. So wie wir das in Suwon besprochen hatten, geht es nicht darum, aktuelle japanische Politik zu brandmarken. Ähnlich wie wir in Deutschland in einem schmerzlichen Prozess gelernt haben, mit den dunklen Kapiteln unserer Geschichte umzugehen – unter der Überschrift: So etwas darf nie wieder passieren –, haben wir uns gedacht, dass natürlich sexuelle Gewalt in Kriegen nicht allein auf Japan gemünzt werden kann. Denken Sie daran, was die deutsche Wehrmacht getan hat, was vor 20 Jahren im ehemaligen Jugoslawien passiert ist, was Jesidinnen vom IS angetan wurde. Diese Statue sollte beispielhaft sein.

Werbung


BZ: Würden Sie rückblickend sagen, Sie waren zu arglos?
Salomon: Wenn wir ein Problem gewittert hätten, dann hätten wir uns in diese Geschichte eingearbeitet und wären wohl schnell darauf gestoßen, dass das konfliktreich ist. Ich dachte, es handelt sich um ein Geschenk der Stadt Suwon anlässlich der Partnerschaft. Doch es ist komplizierter. Der Bürgermeister sammelt für eine Bürgerinitiative Spenden, mit denen diese Statuen finanziert werden. Und deren Sinn ist es, weltweit aufgestellt zu werden und diplomatischen Druck auf Japan auszuüben. Als ich das erfahren habe, habe ich mich missbraucht gefühlt. Ich war ein Instrument in einem Konflikt zwischen Korea und Japan. Das kann nicht der Sinn einer Städtepartnerschaft sein, und schon gar nicht, wenn man auch eine japanische Partnerstadt hat, die darauf sehr empfindlich reagiert.

BZ: Musste der Bürgermeister von Suwon nicht gewusst haben, dass die geschenkte Statue solche Reaktionen hervorrufen würde?
Salomon: Der Kollege aus Suwon, den ich sehr schätze, war vor seiner Amtszeit Anwalt von Menschenrechts- und Umweltinitiativen und weiß genau, wie man Kampagnen führt. Ich glaube, er hat diesen Modus noch nicht ganz verlassen.
Wenn mir das jemand vor drei Wochen erzählt hätte, hätte ich gesagt: Das kann nicht sein.

BZ: Wie kriegen Sie die Kuh vom Eis?
Salomon: Sie ist vom Eis. Am Morgen habe ich dem Bürgermeisterkollegen in Matsuyama telefonisch mitgeteilt, dass wir das Geschenk aus Suwon nicht annehmen. Er hatte im Vorfeld angekündigt, die Städtepartnerschaft mit Freiburg zu beenden, falls wir die Statue aufstellen. Und ich habe mit dem japanischen Generalkonsul gesprochen, der sich bedankt hat. Bereits am Montag habe ich 75 Minuten lang mit dem Suwoner Bürgermeister Yeom Tae Young gesprochen – er hat verstanden, dass wir nicht eine Partnerstadt gegen die andere ausspielen können.

BZ: Es ist doch erstaunlich, dass eine solche Statue im weit entfernten Freiburg, das in Japan außer in Matsuyama sowieso niemand kennt, solche wütenden Reaktionen hervorruft.
Salomon: Dass eine solche Statue so einen Wirbel auslösen kann, hätte ich mir nicht vorstellen können. Ich habe Mails von Japanern aus Japan, aus den USA, aus Deutschland erhalten, die mich nicht sehr hoffnungsfroh gemacht haben, dass die Aufarbeitung des dunklen Kapitels in der japanischen Gesellschaft weit fortgeschritten ist. Die Geschichte der "Trostfrauen" ist ja keine Internetverschwörungstheorie. Die japanische Regierung hat sich offiziell entschuldigt für das Leid, das die koreanischen Frauen erlitten haben, und einen Entschädigungsfonds eingerichtet.

BZ: Das Thema hat hier ja bislang keine Rolle gespielt. Der Kollege in Suwon muss das im Gegensatz zu Ihnen groß vermeldet haben.
Salomon: Er hat das auf einer Pressekonferenz vorgestellt, und dann war es in allen Medien Koreas. Über die japanische Botschaft in Seoul ging die Nachricht dann nach Tokio, von dort nach Berlin, und von dort wurde gleich der Generalkonsul in Gang gesetzt. Er war sehr verärgert und fürchtete Schaden für das Deutsch-Japanische Verhältnis.

BZ: Sie sind mit dieser Geschichte auf ein diplomatisches Parkett gelangt, auf das Sie nicht hingehören.
Salomon: Wo ich auch nicht hin will. Es war ein klassisches kulturelles Missverständnis.

BZ: Sie haben in der Statue wohl eher eine Erinnerung an die Opfer gesehen und keine Anklage der Täter.
Salomon: Genau. Sie heißt auf Englisch "Statue of peace" – Friedensstatue.

BZ: Hatten Sie daran gedacht, den Gemeinderat darüber abstimmen zu lassen?
Salomon: So hoch wollte ich das gar nicht hängen. Für mich war das ein Gastgeschenk. Das Gartenamt hatte den Stadtgarten als Standort vorgeschlagen, und wir haben gedacht: So machen wir das.
"Trostfrauen"

Im Zweiten Weltkrieg hat die japanische Armee Mädchen und Frauen zwangsprostituiert, darunter viele aus Korea, das bis 1945 japanische Kolonie war. Seit den 80er-Jahren fordern die ehemaligen "Trostfrauen", wie sie genannt wurden, Entschuldigung und Entschädigung. Die japanischen Regierungen haben sich schwer damit getan. Im vergangenen Dezember gab es ein Abkommen zwischen Japan und Südkorea, das eine Entschuldigung vorsieht sowie einen Fonds mit acht Millionen Euro. In der südkoreanischen Bevölkerung wird die Vereinbarung als unzureichend abgelehnt, in Japan gilt sie vielen als zu weitreichend. So schwelt der Konflikt weiter. Vor der japanischen Botschaft in der südkoreanischen Hauptstadt Seoul steht ein Mahnmal: ein koreanisches Mädchen aus Bronze, das auf einem Stuhl sitzt und die Hände verkrampft. Nachbildungen dieser "Trostfrau"-Statue gibt es in den USA, Kanada und Australien, aber noch nicht in Europa.

Mehr zum Thema:

Autor: Uwe Mauch


0 Kommentare

Damit Sie Artikel auf badische-zeitung.de kommentieren können, müssen Sie sich bitte einmalig bei Meine BZ registrieren. Bitte beachten Sie unsere Diskussionsregeln, die Netiquette.

Meine BZ: Anmeldung
 
 
 



Weitere Artikel: Freiburg