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Die (nicht mehr so) heimlichen Ambitionen des Victor Bruzzo
Prototyp eines neuen mechanischen Uhrwerks

Die im Wallis ansässige Société Holding Finances & Technologie SA (SFT) will, nachdem sie sich bei der Herstellung von Quarzwerken einen Namen gemacht hat, nun auch in die Produktion mechanischer Uhrwerke einsteigen. Ihr Chef Victor Bruzzo plant, einen Prototyp eines neuen, dem ETA-Standardwerk 2892 entsprechenden Erzeugnisses bereits an der Basler Uhren- und Schmuckmesse auszustellen.

Der Backsteinbau mit der Aufschrift Calcio Swiss, bloss einen Steinwurf vom Flughafen Sitten entfernt, könnte unauffälliger kaum sein. Er liegt in einer Industriezone, die mit dem Ziel geschaffen wurde, dem sekundären Sektor der stark vom Tourismus abhängigen Walliser Wirtschaft Auftrieb zu verleihen. Im ersten Stock des modernen Gebäudes findet sich, ebenfalls recht unscheinbar, die Holdinggesellschaft SFT (Société Holding Finances & Technologie SA), die sich nach eigenen Angaben auf Erarbeitung, Produktion und Vertrieb von technischen Lösungen im Uhrensektor und im Medizinalbereich spezialisiert. Hinter diesen drei Buchstaben verbirgt sich eine knapp 200 Mitarbeiter zählende Unternehmensgruppe, deren wahrscheinlich bisher grösster Erfolg im Bereich der Quarzuhren angesiedelt ist. Dank einer Produktions- und Vertriebslinie, die nicht nur Frankreich und die Schweiz einbezieht, sondern auch die Volksrepublik China und Hongkong, konnte SFT weltweit bereits zum drittgrössten Anbieter von Quarzuhrwerken hinter Seiko and Citizen avancieren. Mit rund 100 Millionen abgesetzten Einheiten im Jahr will die Walliser Unternehmung auch schon die Swatch Group in der untersten Kategorie von Quarzwerken überrundet haben. Der mittlere Verkaufspreis dieser Billigwerke liegt gegenwärtig bei rund 80 Rappen pro Stück, wobei SFT auch qualitativ und preislich höher stehende Quarzwerke an diverse unabhängige Uhrenmarken wie etwa Bulgari liefert.

Am Sockel der Pyramide

Dass SFT in jüngster Zeit in Uhrmacher- und Medienkreisen von sich reden machte, hat aber einen ganz anderen Grund: Das Unternehmen will nämlich in die Produktion von mechanischen Uhrwerken einsteigen und hat zu diesem Zweck bereits zwei Prototypen entwickelt, die an der diesjährigen Uhren- und Schmuckmesse in Basel erstmals der Öffentlichkeit vorgestellt werden sollen. Mit diesem Schritt hofft die bisher am Sockel der Pyramide der Uhrenindustrie angesiedelte SFT-Gruppe in die höher gelegenen Produktionssegmente aufsteigen zu können. Initiant ist der heute 61-jährige Mitbegründer und Geschäftsführer von SFT, Victor Bruzzo, der allerdings nur noch zu 40 Prozent am Kapital von SFT beteiligt ist. Vor Jahresfrist hatte der gebürtige Italiener nämlich 60 Prozent aller SFT-Aktien an die Westschweizer Risikokapitalgesellschaft Léman Capital verkauft und sich damit die nötige finanzielle Basis für die anvisierte Expansion und Diversifikation geschaffen.

Als ehemaliger Direktor im Produktionsbereich der Swatch Group ist Bruzzo mit der Uhrenindustrie bestens vertraut. Neben der Herstellung von billigen Quarzwerken betreibt SFT zudem auch die Uhrenmarke Calcio Swiss, die sich auf den Fussballsport abstützt. Mit den in den Klubfarben nicht nur weltberühmter, sondern auch weniger bekannter Fussballmannschaften gestalteten Uhren hat Calcio Swiss sich eine Marktnische gesichert. Nach Bruzzos Worten setzt die Firma zurzeit jährlich global rund eine halbe Million solcher zum Teil mit einem Chronographen ausgestatteten Klubuhren ab. Die bisher noch wenig bekannte SFT kann somit von sich behaupten, ein Allrounder in der Uhrenindustrie zu sein.

Innovation beim Produktionsprozess

Das ist insofern wichtig, als der geplante Einstieg in die Produktion von mechanischen Uhrwerken einem veritablen Quantensprung gleichkommt. Dieser kann wohl nur gelingen, wenn erstens die Qualität der neuen, unter dem Namen Alternance 10 und Alternance 20 (Stoppuhr) laufenden Werke nachweislich über alle Zweifel erhaben ist und wenn zweitens auch die Kunden bereit sind, sich in Abhängigkeit eines noch weitgehend unbekannten Herstellers zu begeben. Was das Erstere anbelangt, so gibt sich Victor Bruzzo zuversichtlich. Für die Herstellung der wichtigsten Teile seines mechanischen Uhrwerks, das als gleichwertiges Pendant zu dem von der Swatch Group vertriebenen Modell ETA 2892 mit automatischem Aufzug auf den Markt kommen soll, setzt SFT auf die Avancen in der Mikroelektronik (Wafer-Technologie). Diese Innovationen im Produktionsprozess sollen dem Vernehmen nach eine bis anhin unerreichte Präzision bei der Herstellung der zentralen Uhrwerkteile gestatten. Dadurch arbeite auch das neue Uhrwerk entsprechend präzis. SFT hat sich die notwendige Technologie über eine Partizipation an der 1998 gegründeten Start-up-Mimotec gesichert, die im selben Gebäude in Sitten angesiedelt ist. Bruzzo hegt keinerlei Qualitätsbedenken. Im Gegenteil: Die in der Branche oftmals zu vernehmende Behauptung, ein neues mechanisches Uhrwerk brauche Jahre, um seine Zuverlässigkeit wirklich unter Beweis zu stellen, weist er als «Blödsinn des Jahrhunderts» zurück. Gleichzeitig gesteht er aber ein, dass Alternance keine technische Neuerung hinsichtlich der Funktions- und Bauweise von mechanischen Standard-Uhrwerken bringt.

Ein opportunistischer Schritt

Der SFT-Chef macht ein Geheimnis daraus, dass er die Gunst der Stunde nutzen will. Die Tatsache, dass die Swatch Group vor nicht allzu langer Zeit aus strategischen Überlegungen entschied, ihre Lieferungen von «ébauches» (Sammlung aller zum Bau eines mechanischen Uhrwerkes nötigen Einzelteile) sukzessive einzustellen und künftig nur noch fertige Uhrwerke zu verkaufen, wird nämlich eine Marktlücke entstehen lassen, in welche Bruzzo springen möchte. Bei SFT sei man durchaus bereit, in Zukunft auf Wunsch auch «ébauches» zu verkaufen. Bruzzo betont allerdings, dass die Entscheidung, in die Produktion von mechanischen Uhrwerken einzusteigen, schon vor über vier Jahren gefallen sei und deshalb nicht wirklich in einem direkten Zusammenhang mit der jüngsten strategischen Weichenstellung der Swatch Group stehe. Letztere will künftig die Lieferung von Einzelteilen einstellen, um auf diese Weise zu verhindern, dass noch mehr branchenfremde Unternehmen in die «Haute Horlogerie» eindringen und ohne nennenswerte Investitionen in Produktion und Forschung die altetablierten Marken konkurrenzieren, welche, wie etwa die zur Swatch Group gehörenden Marken, hohe Ausrüstungsinvestitionen tätigen.

SFT ist bei weitem nicht die einzige schweizerische Unternehmung, die gegenwärtig an der Produktion eines neuen mechanischen Uhrwerks arbeitet. Mehrere andere Firmen, vor allem auch solche, die bisher im Bereich der Veredelung von ETA-Standardwerken tätig waren, schmieden ähnliche Pläne. Dank der Herstellung der Prototypen ist SFT den übrigen Mitstreitern allerdings sicherlich eine Nasenlänge voraus.