Ghost-Komponist für Samuragochi: „Japans Beethoven“ täuschte Musik-Fans 20 Jahre lang

Mittwoch, 05.02.2014, 17:59
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AFP Der japanische Komponist Mamoru Samuragoch in Hiroshima

In der klassischen Musik-Szene gilt der taube Komponist Mamoru Samuragochi aus Asien als Wunder-Mann. Der heute 50-Jährige wurde als „Japans Beethoven“ gefeiert. Nun gesteht er: Seine Werke stammen von einem Ghostwriter – seit zwanzig Jahren.

Der als „Japans Beethoven“ bekannte gehörlose Starkomponist Mamoru Samuragochi hat zugegeben, für seine Arbeit einen Ghost-Komponisten angeheuert zu haben. Samuragochi „bedauert zutiefst, dass er Fans betrogen und andere enttäuscht hat“, hieß es am Mittwoch in einer Erklärung seines Anwalts. „Er weiß, dass es für seine Taten keine Entschuldigung gibt.“ Der Komponist engagierte seinen Helfer demnach bereits vor knapp 20 Jahren.

Er habe zu dem Ausweg gegriffen, „weil mein Gehör immer schlechter wurde“ erklärte Samuragochi. Nach seinen Angaben soll der Mann bei rund der Hälfte seiner Werke mitkomponiert haben. Die Erklärung nennt keinen Namen, nach Angaben des Fernsehsenders TV Asahi versicherte aber später ein Mann namens Takashi Niigaki in einer Erklärung, seit 18 Jahren der mysteriöse Ghostwriter zu sein.

Vertonung für Videospiele wie „Resident Evil“

Samuragochi war Mitte der 90er Jahre mit klassischen Kompositionen zu Videospielen wie etwa Resident Evil berühmt geworden. Mit 35 Jahren wurde er taub, setzte seine Arbeit aber fort. Damals entstand auch sein berühmtestes Stück, „Sinfonie No. 1, Hiroshima“, eine Ehrung der Opfer des Atombombenangriffs von 1945. Später wurde das Stück zu einer Art Hymne für den Überlebenswillen der von der Tsunami-Katastrophe im März 2011 betroffenen Regionen.

Der japanische Rundfunksender NHK, der den 50-Jährigen im vergangenen März mit einer umfangreichen Dokumentation gewürdigt hatte, entschuldigte sich am Mittwoch bei seinen Zuschauern für die fehlerhafte journalistische Arbeit. NHK habe in Reportagen und Nachrichten über den Komponisten berichtet, aber „trotz Recherchen und Prüfungen“ nicht erkannt, dass dieser seine Arbeiten nicht selbst komponiert habe, erklärte der Sender.

Plattenlabel „entgeistert und verärgert“

Auch das japanische Plattenlabel Nippon Columbia, das Samuragochis CDs und DVDs vertreibt, äußerte sich „entgeistert und verärgert“. Der 50-Jährige habe ihnen stets versichert, seine Stücke selbst komponiert zu haben. Nach Angaben eines Sprechers verkaufte sich die Hiroshima-Sinfonie 180.000 Mal – und das im Klassikgenre, wo der Verkauf von 3000 Exemplaren bereits als großer Erfolg gilt. Dennoch will das Unternehmen die Auslieferung stoppen und denkt laut seiner Sprecherin über rechtliche Schritte gegen den falschen Komponisten nach.

Der Skandal trifft auch den japanischen Eiskunstläufer Daisuke Takahashi, Japans Medaillenhoffnung bei den Olympischen Winterspielen in Sotschi. Für eine seiner Küren ist eine vor zwei Jahren veröffentlichte und angeblich von Samuragochi komponierte Sonate vorgesehen. In einer Erklärung auf seiner Internetseite versicherte Takahashi, dass niemand in seinem Team von der Fälschung gewusst habe. Derzeit gebe es keine Pläne, die Musik zu ändern.

Time-Magazin: „Beethoven des digitalen Zeitalters“

In einem Interview aus dem Jahr 2001 charakterisierte das US-Magazin „Time“ Samuragochi wegen seiner Taubheit als „Beethoven des digitalen Zeitalters“. Damals beschrieb der Musiker, wie er trotz seines Gehörverlusts komponieren könne. „Ich höre mir selbst zu“, berichtete er. „Wer seinem eigenen Klang-Gefühl folgt, kann etwas schaffen, das wahrhaftiger ist“. Es sei, als käme die Musik von seinem Herzen, führte er weiter aus und fügte hinzu: „Mein Gehör zu verlieren, war ein Geschenk Gottes.“

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ada/AFP
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Leser-Kommentare (1)
05.02.2014
Geltungssüchtiger Schaumschläger

von Martin Stanzeleit

Ich habe im Hiroshima Symphony Orchestra an der letzten Aufführung der Sinfonie mitgewirkt — bevor der Vorhang fiel. Die Musik: Ein aufgeblasenes Potpurri aus Mahler, Wagner und Tschaikowski Zitaten. Es ist mir unerklärlich, wie sich Samuragochi bei seinen Konzerten vor begeistertem Publikum als gehörgeschädigter Komponist und moderner Beethoven feiern lassen konnte. Nun benutzt er sein Gehör als Ausrede, warum er gezwungen war, einen Ghostwriter zu engagieren. Ob er sich bewusst ist, welchen Schaden er für Menschen mit körperlichen Beeinträchtigungen anrichtet? Antwort schreiben


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