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Folgen der Energiewende Polen wehrt deutschen Windstrom ab

 ·  Unerbetene Windstromexporte aus Deutschland nach Polen und Tschechien sollen künftig gestoppt werden. Die Netzbetreiber reagieren damit auf den rasanten Ökostromausbau hierzulande.

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Unerbetene Windstromexporte aus Deutschland nach Polen und Tschechien sollen künftig gestoppt werden, auch um eine drohende Destabilisierung von Netz und Versorgungssicherheit in den Nachbarstaaten zu verhindern. Einen Vertrag, der den Bau von Windstromsperren vorsieht, hat der ostdeutsche Stromübertragungsnetzbetreiber 50 Hertz diese Woche mit dem polnischen Netzbetreiber PSE geschlossen. Eine ähnliche Regelung strebe man auch mit dem tschechischen Netzbetreiber Ceps an, sagte 50 Hertz-Geschäftsführer Dirk Biermann dieser Zeitung. Das Abkommen sieht unter anderem den Bau technischer Anlagen für die Steuerung der Stromflüsse vor. Damit kann der physikalische Widerstand erhöht und deutscher Windstrom abgewehrt werden.

Das Unternehmen reagiert damit auf den zunehmenden Ökostromanteil und den gleichfalls wachsenden Druck aus der Politik. Mehrfach hatten sich Vertreter der polnischen und tschechischen Regierung in Berlin und Brüssel über den rasanten deutschen Ökostromausbau beschwert. Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) äußerte sich nun zufrieden und hieß die Vereinbarung ausdrücklich gut: „Es ist wichtig, dass die Übertragungsnetzbetreiber praktische Lösungen erarbeiteten, die im Interesse des gemeinsamen Binnenmarktes sind.“

Elektronen halten sich nicht an Ländergrenzen

Die sind auch notwendig, denn wenn das Stromnetz in Deutschland voll und der direkte Weg von den norddeutschen Windstromerzeugern zu den süddeutschen Verbrauchern verstopft ist, nimmt der Stromfluss einen Umweg über die Nachbarländer. Der Fluss der Elektronen hält sich nicht an Ländergrenzen, sondern sucht den Weg des geringsten physikalischen Widerstands.

Da Wind- und Sonnenstrom im deutschen Netz Vorfahrt hat, darf der Netzbetreiber nur in Notfällen eine Abschaltung oder Drosselung anweisen - anders als bei Kohle- oder Gaskraftwerken. Weil die Windstromproduktion ständig zunimmt, wird auch das Problem immer größer. Die Niederlande haben sich oft darüber beklagt, zuletzt aber vor allem Polen und Tschechien. Sie hatten auch EU-Energie-Kommissar Günther Oettinger eingeschaltet.

Netzstabilität bedroht

Der ungeregelte Zufluss deutschen Stroms bringt die „Fahrpläne“ für das Netz durcheinander. Das bedroht die Stabilität des Netzes und der Versorgung in den Nachbarländern. Nicht zuletzt führt das zu zusätzlichen Kosten, wenn Kraftwerke plötzlich runtergefahren werden müssen, weil der unerbetene Strom aus dem Ausland die Planung durcheinanderbringt. Die Dimension macht Biermann mit einer Überschlagsrechnung deutlich: Demnach sind die ungeplanten physikalischen Exporte von Strom nach Polen mit 1500 Megawatt etwa dreimal so hoch wie die von Händlern veranlassten Stromimporte. In Spitzenzeiten sind die ungeplanten Stromexporte sogar so hoch, dass beide Leitungen voll ausgelastet sind.

Polen hatte deshalb damit gedroht, das eigene Netz besser vom deutschen abschotten zu wollen und einen „Phasenschiebertransformator“ einzubauen. Mit so einem Gerät kann der Stromfluss reguliert werden. Das wollten 50 Hertz und der polnische Stromnetzbetreiber PSE jetzt gemeinsam tun, sagte Biermann. So sollen an den Netzknoten an den Übergangsstellen in Brandenburg und Sachsen je zwei Phasenschiebertransformatoren gebaut werden. Die Anlagen, die jede Seite 80 Millionen Euro kosten dürften, sollen 2016 einsatzbereit sein. Biermann geht davon aus, dass 50Hertz seinen Anteil auf die von den Verbrauchern zu zahlenden Netzkosten umlegen kann.

Mit dem Phasenschieber habe man „ein Instrument in der Hand, den Strom dahin fließen zu lassen, wo wir ihn haben wollen“, sagte Biermann. Dafür müsse aber auch das deutsche Netz weiter ausgebaut werden. Die bessere Regulierung der Kapazitäten an den Grenzen nach Polen und Tschechien hätte zudem einen ökonomischen Vorteil, sagte Biermann: Es gebe mehr Platz für Handelsgeschäft auf den Leitungen.

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Jahrgang 1960, Wirtschaftskorrespondent in Berlin.

21.12.2012 17:45 Uhr
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