Oper und Atom, 2. Teil: Das Münchner Nationaltheater in Tokio: "Oktobelfesto" und "Gemütelichkeit" - Nachrichten Print - WELT KOMPAKT - Kultur - WELT ONLINE

Anmelden | 1. Oktober 2011, 17:21 Uhr
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Oper und Atom, 2. Teil: Das Münchner Nationaltheater in Tokio

Drucken Bewerten Autor: Manuel Brug| 27.09.2011

"Oktobelfesto" und "Gemütelichkeit"

Der japanische Kronprinz Naruhito liebt Schumann über alles. Kein Wunder, er spielt selbst Geige und Bratsche, im Kaiserpalast gerne auch mit europäischen Orchestermusikern, wenn sie gerade in Tokio Station machen. Westliche Klassik hat in seiner Familie Tradition, seine erste Oper war just Wagners "Lohengrin", erzählt er. Den wird er in einigen Tagen auch in der seltsam Orwell-artigen Inszenierung von Richard Jones beim Gastspiel der Bayerischen Staatsoper zu sehen bekommen. Wie es denn René Kollo gehe, möchte seine Hoheit noch wissen, und ob man die Inszenierung verstehen würde. Man windet sich diplomatisch um eine Antwort, doch, man könne sehr viel da hinein interpretieren.

Eigentlich darf auch das schon nicht geschrieben werden, denn das wagnerlastige Hauskonzert in der Deutschen Botschaft mit Chor und Solisten des Nationaltheaters ist ausdrücklich als royaler Privattermin deklariert. Doch wir setzten uns frech über das Diktum hinweg, weil wir - mit allem Respekt - einfach mal sagen müssen, was für ein netter, aufgeräumter, kluger, individuell reagierender Gesprächspartner Kronprinz Naruhito ist! Hat man erst das steife Protokoll mit ehrfürchtigem Schweigen, Rückzug und diversen Verbeugungen absolviert, streckt sich einem plötzlich eine imperiale Hand zur Begrüßung entgegen, wird jovial smallgetalkt. Mit Koloraturkönigin Edita Gruberova sitzt seine kaiserliche Hoheit beim Essen und hat eine gute Zeit. Auch für die slowakische Sopran-Stratosphärensurferin, zum 18. Mal in Japan, war es natürlich Ehrensache, trotz Tsunami-Nachwirkungen, Atomangst und Taifun-Unbill nach Tokio zu kommen: "Das bin ich meinen Fans einfach schuldig." Man kann es Ostblock-Schützengrabenmentalität nennen, oder einfach alte Starschule. Dreimal singt sie hier Elizabeth I. in Donizettis Königinnenheuler "Roberto Devereux" und drei Arienabende zusätzlich ist sie ihrem Publikum schuldig. "Bei der Grubi stehen die Fans Schlange, wie sonst nur bei den Sumo-Ringern", kommentiert Intendant Nikolaus Bachler neidlos.

Der wiederum absolviert eloquent einen Auftritt bei einem Minisymposion der Richard-Wagner-Gesellschaft Japan über die "Wagner Stadt München" im Goethe Institut. Mindestens 80 Leute haben sich da an einem Werktagnachmittag konzentriert lauschend versammelt. Aus den gegenüber dem Deutsch-Österreichischen mindesten fünfmal so langen japanischen Übersetzungen stechen immer wieder zwei Wörter heraus: "Oktobelfesto" und "Gemütelichkeit". Apropos Wies'n: Tenorissimo Jonas Kaufmann war zwar zu krank und zu ängstlich für seine drei (!) Japangastspiele in diesem Erdbebenjahr, die er alle abgesagt hat. Gleichzeitig zog er aber mit versammelter Familie auf einem Wirtewagen auf dem Oktoberfest ein. Irgendwie schlechtes Timing.

Zumal sein Einspringer Johan Botha ihn so gut wie vergessen ließ. Selbst Slimfan Bachler will jetzt dem Dicken in München wieder eine Chance geben. Ein Insider wusste allerdings: "Bei dem ist es nicht nur die Schilddrüse. Der isst wirklich. Allein in der Pause schon raue Mengen." Und wie sagte es ein Geiger so schön? "Der Hälfte von dem, was der Kaufmann spielt, singt der Botha einfach." Schlechte Japan-Karten also, Jonas.


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